061 – Psychologe: Wie ihr die richtigen Franchise-Kandidaten passend ansprecht
Häufig frage ich Franchisegeber nach dem Typ Mensch, den sie als Franchisenehmer suchen. Die Antworten gleichen sich meist: “Menschen mit Vertriebsstärke, unternehmerischem Denken, Teamfähigkeit und hohem Engagement”. Um ehrlich zu sein, das finde ich langweilig und mit diesem Profil befinden wir uns im Wettbewerb mit tausend anderen Franchisesystemen!
Ich bin mir sicher, das geht je nach Franchise-Konzept viel konkreter! Darüber habe ich mich mit dem Psychologen Markus Brand unterhalten, der in Köln das Institut für Persönlichkeit führt.
Sollten wir ein klareres Bild der gesuchten Persönlichkeit erhalten, stellt sich die nächste Frage:
Kann ich als Franchisegeber bei der Franchisenehmer-Gewinnung schon in meiner Ansprache gezielt Menschen aufgrund bestimmter Wörter, Bilder und des Gesamtauftritts anziehen? Idealerweise so, dass sie eher bei mir anklopfen als andere Typen und ich deshalb weniger Aufwand in der Selektion von Kandidaten habe? Auch hierüber habe ich mich mit Markus Brand in dieser Podcast-Episode unterhalten.
(Audio 15:23 min)
Aufhänger für diese Podcast-Episode war das Buch “Erfolgreiche Rekrutierung von Franchisenehmern”* aus dem Springer-Verlag, in dem bei der Suche nach der idealen Franchisenehmer-Persönlichkeit mit dem Big-5-Modell aus der Psychologie gearbeitet wird. Gleichzeitig arbeitet Markus Brand sehr viel mit dem sogenannten Reiss-Profile um eine Persönlichkeit anhand 16 Motiv-Ebenen zu klassifizieren. Hierzu hat er mehrere Bücher geschrieben, unter anderem “Die 16 Lebensmotive in der Praxis”*
Big-5 Modell und Reiss Motivation Profile
Beide Modelle haben das Ziel, die Individualität einer Persönlichkeit zu beschreiben. Hier gibt es den Ansatz von 5 unveränderbaren Persönlichkeitsmerkmalen. Steven Reiss hat das Modell gekannt und kam in den 90er Jahren zu dem Schluss, das sei zu oberflächlich. Heraus kamen in seinem Modell 16 Faktoren zur Beschreibung einer Persönlichkeit, die im Übrigen mit den Big-5 auch korrelieren.
In einer Weiterentwicklung werden die 5 stabilen Persönlichkeitsmerkmale jeweils auf sechs Unterbereiche runtergebrochen. In der Summe also 30 Faktoren. So gibt es drei Modelle: mit 5 Faktoren, mit 30 Faktoren oder dazwischen mit 16 Faktoren.
Persönlichkeiten können sich beispielweise dahingehend unterscheiden:
- wie wichtig ist mir Familie
- wie wichtig ist mir Individualität
- wie wichtig ist mir Essen
- wie wichtig ist mir Bewegung
Diese Beispiele aus dem Reiss-Profile schauen viel kleinteiliger auf die Persönlichkeit als bspw. nur mit dem Begriff “Extraversion”.
Also, alles misst, was macht mich als Menschen aus. Das eine Modell ein wenig gröber und das andere Modell ein wenig feiner.
Das meistgenannte Profil einer Franchisenehmer-Persönlichkeit
Wenn man mit Franchisegebern spricht und nach der gesuchten Franchisenehmer-Persönlichkeit fragt, bekommt man meist Antworten wie:
- “kaufmännisches Grundwissen”
- “Vertriebsstärke”
- “Tatendrang”
- “Teamplayer”
Mir persönlich ist das zu wenig. Mit so einer Beschreibung bin ich dann auch voll im Wettbewerb mit anderen Franchisesystemen.
”Die suchen alle die gleichen Typen!”
Worauf können Franchisegeber bei der Franchisenehmer-Persönlichkeit achten?
Jedes Produkt, welches hinter einem Franchisesystem steht, hat ebenfalls eine Persönlichkeit. Markus Brand hat besonders mit Bodystreet Franchisenehmern bereits gearbeitet und greift dies als Beispiel auf:
Hier wird sicher nicht nur jemand mit Teamorientierung und unternehmerischen Denke gesucht, sondern idealerweise jemand, der zusätzlich eine hohe Sport- und Gesundheitsaffinität hat. Die erfolgreichen Bodystreet-Franchisenehmer haben eine tiefe Leidenschaft für das Thema Bewegung.
Demgegenüber ist für eine Selbstständigkeit im Food-Bereich wichtig, dass man eine Affinität zu den Themen Essen und Ernährung hat. So könnte jemand mit Subway oder McDonald’s erfolgreich sein, aber nicht zwangsläufig mit einem Konzept aus dem Sportbereich.
Ein Beispiel aus der Versicherungsbranche
In der Versicherungsbranche wurden sehr lange Leute rekrutiert, die sehr stressfest sind. Also übersetzt mit einer geringen Ängstlichkeit. In Studien fand der Psychologe Markus Brand dann heraus, dass genau die erfolgreichen Menschen im Versicherungsbereich die ängstlichen waren.
Die Angst führt diese Menschen dazu, dass sie besonders fleißig sind, um nicht zu scheitern. Ab dem zweiten Januar geben sie Gas. Angstfreie Menschen gehen erst noch zum Skifahren und feiern Karneval und dann Ostern und fangen dann erst viel später im Jahr an, richtig intensiv zu arbeiten.
Außerdem ist bei ängstlichen Menschen die Fluktuation geringer, weil sie aus Angst vor dem Risiko ihre Verträge nicht kündigen.
Schlüssig wird es weiterhin mit Blick auf das Produkt: Wer Versicherungen verkauft, dem sollte das Produkt mit dem Zweck der Risikominimierung ans Herz gewachsen sein. Im Zweifel haben sie selber aufgrund ihrer Persönlichkeit schon alles Mögliche an Versicherungen.
Wer ansgstfrei ist, der ist vielleicht ein guter Verkäufer, kann aber auch alles verkaufen, egal ob Autos, Immobilien oder etwas anderes. Hier ist keine Beziehung zum Produkt Versicherung vorhanden.
“Die Passung zum Produkt ist ganz entscheidend!”
Die passende Ansprache für passende Franchise-Kandidaten
Wenn ein Sport-Franchisesystem oder eine Versicherung das ideale Partnerprofil gefunden hat, stellt sich die Frage der Ansprache in Richtung dazu passender Menschen.
Kann ich als Franchisegeber bei der Franchisenehmer-Gewinnung schon in meiner Ansprache gezielt Menschen aufgrund bestimmter Wörter, Bilder und des Gesamtauftritts anziehen? Idealerweise so, dass sie eher bei mir anklopfen als andere Typen und ich deshalb weniger Aufwand in der Selektion von Kandidaten habe?
Als Psychologe schreibt Markus Brand tatsächlich Stellenausschreibungen für Unternehmen, damit sie sich von anderen Angeboten unterscheiden und die passenden Menschen gezielt ansprechen. Die Grundprinzipien lassen sich auf die Franchisenehmer-Rekrutierung übertragen.
Es gibt Schlüsselwörter, auf die bestimmte Menschen abfahren. Klassische Franchisenehmer treffen nicht ganz so gerne viele Entscheidungen. Aussagen wie “Sie erlangen Sicherheit unter unserem Dach” beispielsweise und die Hervorhebung es Partnerschaftlichen können passende Menschen anziehen. Andere kann es abstoßen, denn sie wollen sich selbstständig machen um eigene Entscheidungen treffen zu können.
Das Prinzip lässt sich weiterführen, z.B. mit einem Wort wie “Perfektion”. Es gibt Menschen, für die ist Perfektion besonders wichtig, weil sie darüber von Anderen gemocht werden möchten. Auch das kann Andere widerum abstoßen, weil für sie heißt Perfektion, dass sie alles bis ins Detail bearbeiten müssten. Das wollen sie gar nicht, denn sie suchen mehr die Freiheit.
“Es gibt Schlüsselwörter, die man sehr gut nutzen kann, um in der Vorselektion schon zu merken, ich will die Richtigen ansprechen oder halt die Falschen nicht verlieren.”
Der Alpha- und Beta-Fehler
Der Alpha-Fehler besagt, ich möchte einen Fehler vermeiden im Sinne von “Ich will gleich den richtigen anstellen”. Dabei ist das gar nicht so schlimm, denn stellt sich heraus, dass die falsche Person angestellt wurde, kann man sie wieder loswerden. Das kostet zwar Geld und Zeit, ist aber reversibel.
Der Beta-Fehler ist für Franchisegeber viel teurer. Das heisst, ich habe die richtige Person vor mir gehabt, aber ich habe sie nicht erkannt. Die Lizenz wurde nicht gegeben, dann geht er zur Konkurrenz und kommt nie wieder zurück.
Das heißt den Richtigen wegzuschicken ist viel teurer, als den Falschen zu nehmen.
Ein konkretes Beispiel aus der Praxis der Rekrutierung
In diesem Fall war Markus Brand an der Stellenausschreibung einer Kommunikationsagentur beteiligt, wenn auch nicht im Franchise-Kontext. Kommunikationsagenturen haben klassischerweise schon das Problem einer hohen Fluktuation.
Im weiteren Verlauf wurden die besonders erfolgreichen Projektleiter mit den weniger erfolgreichen Projektleitern verglichen. Es gab einige Ergebnisse, unter anderem in Bezug auf das Thema Neugierde. Erfolgreiche Projektleiter hatten besonders Spaß am Lernen, sie waren wissbegierig.
In die Anzeige wurden Schlüsselwörter aufgenommen wie “Eigenverantwortlich arbeiten” und “wo lernen nie aufhört”. Ziel war es, die Leute, die Lernen mit etwas Positivem assoziieren eher zur Bewerbung zu bewegen, als Andere.
Die Anzahl der Bewerber wird wahrscheinlich eine geringere, wohingehend die Passung besser werden dürfte.
SHOWNOTES
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