Aufbau von Franchisesystemen
Morgen, liebe Chat-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer. Sie möchten ein
Franchisesystem aufbauen oder haben allgemeine Fragen zum Franchising? Dann
freue ich mich auf den Austausch mit Ihnen. Herzlichst Ihre Veronika
Bellone
Leser: Guten Morgen, Frau Prof. Bellone. Auf
welchem Weg gelange ich von einer tollen Geschäftsidee zu einem überzeugenden
Franchise-Angebot?
lieber Chat-Teilnehmer. Eine tolle Geschäftsidee hört sich noch nicht zwingend
nach einem realisierten Konzept an. Das wäre der erste Schritt, aus der Idee
wird ein Konzept entwickelt, das umgesetzt wird. Erst dabei wird klar, ob sich
das, was man als Gedankengebäude entwickelt hat, auch Bestand hat. Franchising
basiert darauf, erfolgreiche Konzepte zu multiplizieren. Der Erfolg und was dazu
geführt hat, bildet damit den Grundstein für Ihre mögliche Franchisierung.
Leser: und anhand welcher Kriterien prüfe ich,
ob mein Geschäftskonzept als Grundlage eines Franchisesystems geeignet
ist?
ein Acht-Schritte-Fahrplan entwickelt, der auch in unserem “Praxisbuch
Franchising” (mi-Wirtschaftsbuch) beschrieben ist: Zuerst müssen Sie überprüfen,
wie “gesund” Ihr Unternehmen/Ihr Konzept ist. Wie ich schon in meiner ersten
Antwort genannt habe, geht es beim Franchising um die Multiplikation eines
erfolgreichen Geschäftskonzeptes. Jede “Kinderkrankheit”, jede “Unwucht” würde
auch multipliziert werden, deswegen gilt es, das Konzept zu durchleuchten und
die personellen wie finanziellen Ressourcen. Der zweite Schritt umfasst Ihre
strategische Entscheidung. Warum wollen Sie Franchising machen? Welche Dimension
wollen Sie mit dieser Expansion erreichen? Der dritte Schritt fahndet nach den
Wettbewerbsvorteilen Ihres Konzeptes, die Sie zwingend haben müssen. Der vierte
Schritt behandelt die Markenpersönlichkeit. Wie steht es um die Positionierung,
über welche Werte definieren Sie Ihr Geschäftskonzept? Der fünfte Schritt
heisst: Interaktion, Innovation und Reflexion. Betrachten Sie ein zukünftiges
Franchisesystem immer unter dem Aspekt einer lernenden Organisation. Wie binden
Sie also Ihre Franchisepartner/innen später ein? Der sechste Schritt heisst
immer wieder “Denken in Konsequenzen”. Was passiert, wenn Sie etwas verändern?
Was hat es für einen Einfluss. Der siebente Schritt befasst sich mit dem
Franchising als Kulturträger! Was bewegen Sie mit Ihrem Konzept innerhalb Ihrer
Branche und Ihres Marktes. Revolutionieren Sie z.B. die Branche? Und der achte
Schritt heisst: Wie arbeiten Sie an Ihrer stetigen Effizienzverbesserung!
Leser: Liebe Frau Prof. Bellone: Welche
Fähigkeiten und Erfahrungen muss man mitbringen, um ein Franchise-System mit
Aussicht auf Erfolg aufzubauen?
noch so trivial klingt. Man muss es in erster Linie wollen. Der Umgang mit
selbstständigen Franchise-Partnern und -Partnerinnen, die sich finanziell stark
involvieren, sich mit dem Konzept entwickeln wollen, erfordert sehr viel
Interaktion und Reflexion seitens des Systemgebers. Ansonsten können Sie sich
bitte an meiner vorgängigen Antwort orientieren, die grob auf die einzelnen
Schritte für den Franchiseaufbau eingeht.
Leser: Einen schönen guten Tag, Frau Professor
Bellone. Warum wird im Franchising so viel Wert auf die Entwicklung von
Betriebshandbüchern gelegt? Würde es nicht ausreichen, das notwendige Know-how
in kontinuierlichen Schulungen zu vermitteln?
von Betriebs- und Franchise-Manuals hat verschiedene Gründe. In meiner
langjährigen Tätigkeit durfte ich immer wieder feststellen, dass solche Manuals
gerade am Anfang der Selbstfindung und Positionierung des Konzeptes dienen. Im
Rahmen dieser Manuals muss man sich einmal festlegen! Worauf zum Beispiel
Erfolgsfaktoren basieren, warum Abläufe so sind wie sie sind usw. Wir
hinterfragen alles! Und das ist gut so, denn es wird alles durchleuchtet, damit
klar wird, was standardisierbar und damit multiplizierbar ist und wo Freiräume
für die individuelle Gestaltung sind. Dieses “verbriefte” Wissen stellt einen
Wert dar. Den lassen Sie sich anteilig über eine Gebühr bezahlen. Damit geben
Sie auch jedem Franchisenehmer/jeder Franchisenehmerin die gleiche Ausgangslage.
Das heisst natürlich nicht, dass die Manuals in Stein gemeisselt sind, aber von
diesem Status Quo ausgehend, können Veränderungen adäquat vollzogen werden.
Leser: Brauchen auch einfache Lizenzsysteme
für ihre Partner ein Betriebshandbuch zwecks Know-how-Dokumentation?
dafür, weil man sich dann als Lizenzgeber auch bekennen muss. Allerdings ist
immer darauf zu achten, dass nicht “tote Materie” kreiert wird. Es geht nicht
darum, ein Manual zu schreiben, weil man es haben muss. Know-how-Dokumentationen
müssen zielgruppenadäquat sein, also auf die Profile Ihrer Lizenznehmer/innen
zugeschnitten sein, praktikabel und nutzbringend. Letzteres heisst nicht, dass
es dabei nur um beispielsweise “Rezepte” für den Tagesbetrieb geht, sondern auch
um das Verstehen, was Sie mit Ihrem Konzept verkörpern wollen. Je besser Ihre
Lizenzpartner/innen verstehen, wie Ihr Leistungsangebot positioniert ist, worauf
es ankommt und wie es sich von anderen Angeboten unterscheidet, desto eher
können Sie ein – auf Verständnis und Überzeugung aufgebautes – System
entwickeln.
Leser: Liebe Frau Prof. Bellone: Was muss ein
Franchise-System an Leistungen bieten, um Franchise-Nehmer dauerhaft an sich zu
binden?
Akquisition/Rekrutierung von Franchisenehmern/-Nehmerinnen, Integration,
Führung/Betreuung und Trennung. Bereits in der Akquisitionsphase, wenn Sie das
Profil beschreiben, legen Sie den Grundstein für eine längerfristige
Partnerschaft. Es geht also schon in dieser Phase darum, welche Perspektive Sie
bieten können. Wie können Sie die Motivation der Partner/innen halten, wenn die
erste Euphorie nach der erfolgten Integration vorbei ist? Wenn die Partner/innen
das Konzept kennen, jeden Tag leben und selbstverständlich auch eigene Ideen
entwickeln. Inwieweit fördern Sie Ihre Partner/innen, damit sie das Gefühl
bekommen, ein wichtiger Teil des ganzen Franchisekonstuktes zu sein. Es lohnt
sich, nach Möglichkeiten zu fahnden, die über den ökonomischen Erfolg
hinausgehen, denn wer nur über Geld geführt wird, dessen Loyalität kann
schwinden, wenn Probleme oder andere spannende Konzepte auftauchen. Wenn Sie
aber auf Mitverantwortung setzen, können Sie sich ein entsprechendes Klima
schaffen. Dafür können Sie mit Ihren Partnern und Partnerinnen an gemeinsamen
Projekten arbeiten (Werbung, Innovation, Produktentwicklung…), das schweisst
zusammen.
Leser: Haben Sie für uns einen Hinweis, wie
wir beim Zuschnitt der Gebiete und der Festlegung der Standorte vorgehen
sollten? Ich möchte nichts dem Zufall überlassen.
nach konzeptspezifischen Merkmalen richten, in dem Sie zum Beispiel nach
Zielkunden Ihrer Partner/innen vorgehen: das kann die Anzahl Haushalte, KMU o.ä.
sein, die in einer bestimmten Anzahl in einem Gebiet an Potenzial vorhanden sein
müssen, um in die mögliche Umsatzdimension zu kommen.
Leser: Was halten Sie von einer transparenten
Open-Book-Strategie gegenüber Mitarbeitern und Franchisenehmern zur Steuerung
eines Franchise-Systems?
Transparenz, aber mit Einschränkungen. Vollkommene Transparenz kann überfordern
und vor allem die Arbeit blockieren. Es gilt zu hinterfragen, was erzeugt die
angesprochene Offenheit bei den verschiedenen Anspruchsgruppen von
Mitarbeitenden bis hin zu Franchisepartnern und -Partnerinnen. Wie muss die
Spannbreite sein zwischen Involvieren, um sich mitverantwortlich zu fühlen und
wo fängt die Belastung und Überforderung an?
Leser: Welchen Gewinn muss ein
Geschäftskonzept mindestens abwerfen, um Franchise-Geber und Franchise-Nehmern
ein akzeptables Auskommen zu sichern?
generell nicht sagen. Wichtig ist, dass Sie eine Wirtschaftlichkeitsberechnung
vornehmen, um sowohl Ihren Break-even zu kalkulieren (also ab dem wievielten
Partner amortisiert sich Ihr Systemaufbau plus laufender Kostenapparat) und wann
wird es für den Franchisepartner, die -Partnerin interessant. Letztlich
orientiert sich die Vertragsdauer an dem erreichbaren Break-even für die
Franchisenehmer, die dann mindestens noch einmal so viel Zeit im Rahmen des
Vertrages haben müssen, um die fruchtbaren Jahre zu erleben.
Leser: Wie gehen Sie als Beraterin vor, um
Lücken oder Risiken im Hinblick auf die zu standardisierenden Geschäftsprozesse
zu identifizieren?
Franchisierbarkeitsanalysen mit unseren Kunden durchführen, dann gehen wir auf
die externen und internen Einflüsse ein, die das Konzept stärken bzw. schwächen
können. Dazu zählen u.a. wirtschaftliche Faktoren (Konkurrenz,
Nachfragesituation etc.), gesellschaftliche, soziale (Trends, Konsumverhalten
etc.), rechtliche (Einschränkungen, Importbeschränkungen…), ethische
(Auflagen, Nachhaltigkeit) usw. und bei den internen Faktoren sind es
Unternehmens/Marketing-/Marken-Strategien, Produktlebenszyklus u.v.m. All diese
Einflüsse werden zu einer ergebnisorientierten SWOT-Analyse zusammengefasst, um
dann eine Einschätzung vorzunehmen und das weitere Vorgehen zu beschreiben.
Leser: Halten Sie längerfristig eine ISO 9000
ff Zertifizierung der Franchise-Zentrale oder des gesamten Franchise-Systems für
wünschenswert? Oder würde es lediglich zu unnötiger Bürokratie führen?
für Qualitätsmanagement und ist der meist verwendete Standard. Ich halte es für
sehr wünschenswert, dass Franchisesysteme sich auch in diesem Bereich
standardisieren (zertifizieren) lassen. Zusätzlich sind weitere Zertifizierungen
wünschenswert, z.B. die ISO 14001 (Umwelt) oder die OHSAS 18001
Arbeitssicherheit. Schauen Sie doch einmal auf unsere Website
www.greenfranchiseaward.com, wie sich der diesjährige Green Franchise
Award-Gewinner Schmidt Küchen GmbH & Co KG über seine professionellen
Zertifizierungen am Markt profiliert.
Leser: Wovon hängt es generell ab, ob sich
Systementwickler für den Aufbau eines Franchisesystems oder eine Lizenzvergabe
entscheiden sollten?
ab, ob Ihr Konzept z.B. als integrierbare Lösung für bestehende Geschäfte oder
Selbstständige gedacht ist. Dann macht ein Lizenz-Konzept Sinn. Sie können damit
auch Erfahrungen sammeln, die in ein späteres Franchisekonzept einfliessen
können. Das habe ich bereits mit Kunden so vorgenommen, dass es eine
“Light-Version” als Shop-in-Shop-Variante gab und später eine “Full-Version. Im
Rahmen Letzterer bieten Sie eine “schlüsselfertige Existenz” (Franchising) an,
bei der Sie die Existenzgründenden auch beim Schritt in die Selbstständigkeit
von A-Z begleiten und Ihre konkreten Vorstellungen zur Umsetzung weitergeben.
Der laufende betriebswirtschaftliche Support muss nachfolgend gesichert werden.
Sie müssen überprüfen, inwieweit es eine enge Begleitung zur erfolgreichen
Realisation Ihres Angebotes braucht.
Leser: Welche Geomarketing-Daten sollten wir
für die Gebietseinteilung einkaufen und welche können wir selbst erheben oder
bei Ämtern (wo?) erfragen?
Statistik haben sehr gute Daten. Wenn Sie keine Geomarketingfirma einschalten
wollen, dann müssen Sie die Korrelation der Daten vornehmen und so die
Markt-/Gebietspotenziale bestimmen.
Leser: Ist Ihnen zufällig bekannt, ob das
Führungs- und Motivationskonzept „Great Game of Business“ bereits im Franchising
zum Einsatz kam? Mit welchem Ergebnis?
sehr verhalten, weil gerade in unserem Kulturraum solche Konzepte – ebenso wie
agile Unternehmensführung noch sehr gewöhnungsbedürftig sind. Offenheit – und
dann noch über Zahlen – gibt es in Teilbereichen. Zu den sehr offen und
innovativ geführten (Franchise-)Unternehmen zählt in jedem Fall Synaxon
AG/PC-Spezialist. Besuchen Sie doch den Blog von Frank Roebers/Synaxon:
www.frank-roebers.de
Leser: Können Sie für die Systemsteuerung ein
bestimmtes Management-Informationssystem (MIS) empfehlen?
des Green Franchise Awards liegen mir nachhaltige Ziele und Prozesse besonders
am Herzen. Deshalb empfehle ich zur Unternehmenssteuerung die unterschiedlichen
am Markt angebotenen Managementsysteme. Hier bietet zum Beispiel der Deutsche
Nachhaltigkeitsrat mit seinem Nachhaltigkeitskodex ein System zur Steuerung und
Verfolgung nachhaltiger Unternehmensaktivitäten an.
Leser: Welche Vorgehensweise empfehlen Sie
uns, um die entscheidenden Wettbewerbsvorteile für die beiden relevanten Märkte
(Gründer und Endverbraucher) herauszuarbeiten?
habe ich, wenn ich Ihr Leistungsangebot wahrnehme bzw. in Ihr Franchisekonzept
investiere? Der Nutzen muss nicht immer ganz praktikabler Natur sein, es können
Bedürfnisse sein wie Prestige, Engagement für Gesellschaft, Sicherheit etc.
sein. Wichtig ist, dass Sie sich von Ihrer “Produktorientierung” lösen und
hinterfragen, was Sie den Abnehmern an einzigartigen Möglichkeiten und
entsprechendem Nutzen bieten. Damit dies keine Entscheidung vom “grünen Tisch”
aus wird, sollten Sie Ihre Vorstellungen dazu mit dem Fremdbild der wahren
Anspruchsgruppen abgleichen.
Leser: Verstehe ich Ihre Antwort richtig, dass
Sie Lizenzkonzepte vorzugsweise im Einzelhandel und nicht im
Dienstleistungssektor angesiedelt sehen?
Lizenzkonzepte sehr gut im Dienstleistungsbereich realisiert: in der Kosmetik
(Produkt- und Behandlungsangebot per Lizenz) oder im Therapiebereich
(Behandlungskonzept) – die Lizenzen wurden bestehenden Kosmetikerinnen bzw.
Therapeuten angeboten, die später das Zusatzpackage an Leistungen in ihrem
Dienstleistungsangebot entsprechend deklariert haben.
Chat-Teilnehmer/innen. Danke für Ihre vielfältigen Fragen. Es hat Spass gemacht.
Wenn Sie wissen möchten, wie Sie Marken erfolgreich aufbauen, dann merken Sie
sich jetzt schon den Livechat-Termin mit Thomas Matla, Brand Consultant bei
Bellone Franchise Consulting vor (FranchisePortal; Freitag, 24.06.16, 10.00 –
12.00 Uhr). Ich wünsche Ihnen viel Erfolg beim Systemaufbau und ein wundervolles
Wochenende. Herzlichst Ihre Veronika Bellone