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Bezugsverpflichtung – Die Lebensader vieler Franchisesysteme

Die in der überwiegenden Mehrzahl aller Franchisesysteme vertraglich vereinbarten Bezugsverpflichtungen für Waren und/oder Dienstleistungen haben ihren originären Grund in der Sicherung qualitativer Ansprüche des bedienten Marktes. Im Praxisleitfaden des Deutschen Franchiseverbandes (DFV) wird dieser Erfolgsfaktor so beschrieben: „Die Geschäftsabläufe müssen genau definiert und standardisiert werden. Diese sollten sich ohne weitere Anpassungsmaßnahmen auf Partnerbetriebe übertragen lassen, denn Franchise-Erfolge beruhen auf Multiplikation. Die Qualität der Produkte bzw. Dienstleistungen muss reproduzierbar … sein.“ Und man ist geneigt hinzufügen: Die Qualität muss auch reproduzierbar bleiben!

Nur wenn dieser Prozess gelingt, können Franchisesysteme Markencharakter entwickeln, und letztlich ihren Franchisenehmern dauerhaft Teilhabe am materiellen und immateriellen Markenwert, und damit geschäftlichen Erfolg sichern. Am offensichtlichsten, aber auch am nachhaltigsten, ist dies McDonald‘s gelungen. Verdeutlichen lässt sich dieser Qualitäts- und Markencharakter wohl am anschaulichsten mit dem sogenannten Big-Mac-Index (www.bigmacindex.org).

Dieser Index vergleicht die Preise des Big Mac in verschiedenen Ländern der Erde. Durch die Umrechnung der inländischen Währungen in den aktuellen US-Dollar-Kurs werden diese untereinander verglichen. Heraus kommt dabei ein seit 1986 regelmäßig berechneter und in der Finanzwelt anerkannter Indikator für die jeweilige Kaufkraftbewertung der Währung des betrachteten Landes.

Der Kölner Stadtanzeiger schrieb dazu am 11. April 2016: „Im Januar 2016 kostete der Big Mac in den USA 4,93 Dollar. Im Euroraum war er dagegen für durchschnittlich 4,00 Dollar zu haben – der Euro ist demnach um rund 20 Prozent unterbewertet. …… Lediglich in der Schweiz (6,44 Dollar), in Schweden (5,23 Dollar) und in Norwegen (5,21 Dollar) ist der Big Mac teurer als in den USA – die Währungen dieser drei Länder sind also überbewertet.“.         

Einen solchen weltweit anerkannten Status eines einzelnen Produktes kann nur erringen, wer weitgehend garantieren kann, dass dieses international in den gleichen Qualitätsstandards angeboten wird. Und dies erreicht McDonald‘s durch die im Franchisevertrag vereinbarte Bezugsverpflichtung. Nur hierdurch hat der Franchisegeber als Markeninhaber die Möglichkeiten und das Instrumentarium zu Sicherstellung z.B. der stets identischen Zusammensetzung, Geschmacksorientierung und Verarbeitung dieses Klassikers der Systemgastronomie.

Kaum vorstellbar wäre der Siegeszug dieses Kult-Hamburgers als Nahrungsmittel, und erst recht nicht seine Verwendung als Wertindikator für verschiedene Währungen, wenn jeder Franchisenehmer von McDonald‘s in jedem Land dieser Erde, selbst entscheiden könnte, wo und in welcher Qualität er z.B. sein Roh-Hackfleisch oder die verwendeten Zwiebeln oder Gewürze zur Produktion einkaufen würde.

Der konsequente Qualitätsanspruch von McDonald‘s geht sogar so weit, die Brattemperatur vorzuschreiben und die Einhaltung dieses Hitzelevels systematisch zu überprüfen. Wegen Nichteinhaltung dieser Bratvorschrift hat man auch schon Gerichtsprozesse geführt. Dies unterstreicht die Praxisbedeutung der Aussagen des DFV zur reproduzierbaren Qualität der Produkte und zu den standardisierten Geschäftsabläufen als wirkmächtige Erfolgsfaktoren für Franchisesysteme.

Bezugsverpflichtungen sind also in aller Regel unverzichtbare markenbildende Merkmale von Franchisesystemen und sollten deshalb nicht auf die sprichwörtliche leichte Schulter genommen werden. Weder vom Franchisegeber noch vom Franchisenehmer. Für den Franchisegeber ist diese Vertragsklausel vor allem mit einer nicht zu unterschätzenden Verantwortung für die Qualität, Lieferfähigkeit und preisliche Positionierung verbunden. Für den Franchisenehmer mit einer strikt einzuhaltenden Bezugsverpflichtung, die dem Gesamtsystem Markterfolg und ihm Ertragskraft sowie lokale Marktausschöpfung sichern hilft.

Jedoch ist die Art, der Umfang und die Verbindlichkeit von Bezugsverpflichtungen in den einzelnen Franchisesystemen system- und marktbedingt recht unterschiedlich ausgebildet. Je nach Branche und geltendem rechtlichen Sicherheitskodex gibt es durchaus differente Ausprägungen bzw. Regelungen.

So gehen in der Systemgastronomie die vertraglich festgelegten Bezugsverpflichtungen in der Regel über die einzusetzenden Lebensmittel und Hilfsstoffe, wie Öle oder Gewürze, hinaus. Weil hier im Gesamtkonzept der Vermarktung die Gestaltung des Gastraumes ebenfalls eine wesentliche Erfolgskomponente ist, umfassen die über den Franchisegeber zu beziehenden Produkte meistens auch Möblierung und Dekoration.

Besonderes Augenmerk auf die eingesetzten Produkte und Materialien müssen jedoch technisch orientierte Franchisesysteme legen. Denn hier geht es um die Beachtung sicherheitsrelevanter Qualitätsstandards. Systeme, deren Franchisenehmer z.B. Glasschäden an PKWs und LKWs oder Feuchtigkeitsschäden an Häusern beheben, beziehungsweise defekte Hydraulikschlauchleitungen austauschen, müssen allein schon wegen der  Garantie- und Gewährleistungsansprüche der Kunden streng darauf achten, dass ausschließlich normgerechte und qualitätsgeprüfte Materialien, sowie ebensolche Hilfsstoffe eingesetzt werden. Kabelbinder, Klebeband oder Schrauben fallen aber sicherlich nicht unbedingt unter die Artikel, bei denen eine Bezugsverpflichtung gewährleistungstechnisch erforderlich ist.  

Deshalb ist hier ein Franchisegeber, der die Hauptlieferanten in die Gewährleistungskette einbinden will, auf eine sehr strikte Form der Bezugsverpflichtung für seine Kernprodukte angewiesen. Aber auch der Franchisenehmer tut gut daran, in diesem Aktionsfeld auf seinen Systempartner zu bauen und aktiv mit ihm zusammen zu arbeiten. Steht er doch bei Schäden, die aufgrund von Fehlern beim nicht über den Partner bezogenen Material entstehen, bei Garantie und Gewährleistung sprichwörtlich alleine da. Denn auch die Betriebshaftpflicht überprüft bei der Schadensregulierung die Einhaltung der im Franchisevertrag vereinbarten Qualitätsstandards und die Einhaltung der vertraglich vereinbarten Lieferantenkette.

Quasi im Gegenzug zu der mit der Bezugsverpflichtung eingegangenen Lieferantentreue kann ein Franchisenehmer aber auch erwarten, dass sein Franchisegeber neben der Qualität der betreffenden Produkte andere Aspekte der Lieferantenfunktion, wie z.B. ausreichende Lagerhaltung, flexible und termingerechte Auslieferung oder faire und nachvollziehbare Gestaltung der Verrechnungspreise offeriert und garantiert. Da z.B. aber Lieferengpässe immer mal bei Einzelprodukten auftreten können, ist es gut, wenn für solche Situationen ein Ersatzmechanismus, der gleiche Qualitäten sichert, für den Bezug im Notfall bereits im Vorhinein vereinbart wurde.

Eine Bezugsverpflichtung sichert dem Franchisegeber als Zentralversorger seiner Franchise-Standorte – das kann und darf nicht unerwähnt bleiben – natürlich auch Einnahmen und Erträge. Aber der Sinn und Zweck von Bezugsverpflichtungen ist eben nicht einseitig auf diesen Aspekt solcher Vertragsbedingungen zu reduzieren. Intentionen, wie Markenbildung, Sicherheit, Qualitätsstandards, Garantiekette bis zum Hersteller, Gewährleistung oder technische Abstimmung mehrerer Artikel, die zur eigentlichen Franchiseleistung zusammengefügt werden, sind gleich- und teils sogar gewichtigere Argumente für diese Franchise spezielle Ausprägung der Materialbeschaffung.
   

12.04.16 © copyright Dr. Bernd Süllow

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Dr. Bernd Süllow
Dr. Bernd Süllow
Dozent an verschiedenen Fachhochschulen

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