Brauchen wir ein Franchisegesetz?
Vor Kurzem berichtete der Deutsche Franchise-Verband (DFV) in seinem Newsletter, dass das Bundesministerium der Justiz (BMJ) im Juni dieses Jahres die Frage nach der etwaigen Notwendigkeit einer gesetzlichen Regelung für Franchiseverträge und vorvertragliche Aufklärungspflichten in Deutschland behandelt hat. Aufgrund früherer Mitgliederbefragungen sowie intensiver Diskussionen sieht der Verband “keinen Handlungsbedarf in dieser Angelegenheit”. Dies bedeutet natürlich nicht, dass sich Franchisesysteme und ihre Franchisenehmer in einem rechtsfreien Raum bewegen dürfen. Wer sich bisher nicht intensiv mit dieser Thematik beschäftigt hat, fragt sich möglicherweise, worin die Vor- und Nachteile eines Franchisegesetzes liegen und wie es eigentlich in anderen Ländern ausschaut. Außerdem dürfte die Frage aufkommen, wie denn ohne ein spezielles Gesetz eine Franchise-Partnerschaft überhaupt geregelt wird. Vor diesem aktuellen Hintergrund haben wir Dr. Volker Güntzel, einen auf Franchiserecht spezialisierten Anwalt, gebeten, die Thematik “Franchisegesetz & alternative Bestimmungen” für uns Nichtjuristen einmal verständlich zu beleuchten und zusammenzufassen:
Zunächst einmal ist es richtig, dass in der Bundesrepublik Deutschland Franchising gesetzlich nicht geregelt ist. Der deutsche Gesetzgeber kennt das Wort „Franchise“ nicht. Dementsprechend handelt es sich beim Franchiserecht um ein Rechtsgebiet, das sich aus den Regeln verschiedener Gesetze und zahlreicher Gerichtsurteile zusammensetzt. Vor diesem Hintergrund ist auch in der Vergangenheit immer wieder die Frage gestellt worden, ob eine spezialgesetzliche Regelung, d. h. ein Franchisegesetz, sinnvoll wäre.
Ich stimme dem Deutschen Franchise-Verband zu, wonach eine gesetzliche Regelung für Franchiseverträge und vorvertragliche Aufklärungspflichten in Deutschland nicht notwendig ist. Dafür sprechen zum einen die Erfahrungen aus den Ländern, in denen eine gesetzliche Regelung besteht, und zum anderen die Erkenntnisse aus meiner jahrelangen anwaltlichen Tätigkeit. Es ist nicht zu erkennen, dass die Franchisegeber und Franchisenehmer, die in Ländern wie Frankreich und den USA, in denen „Franchisegesetze“ bestehen, tätig sind, Vorteile gegenüber in Deutschland ansässigen Franchisegebern und Franchisenehmern haben. Eigentlich ist eher das Gegenteil der Fall, da gesetzliche Bestimmungen grundsätzlich einen höheren bürokratischen Aufwand erzeugen. Bürokratie schadet aber unternehmerischer Entfaltung, da sie die Umsetzung von Entscheidungen verzögert und die wirtschaftliche Entwicklung verteuert. So ist in Frankreich beispielsweise gesetzlich geregelt, dass vor der Eröffnung eines jeden Franchisebetriebes im Hinblick auf den vorgesehenen Standort eine Art umfangreiche Marktanalyse durchgeführt werden muss. Dementsprechend haben sich einige französische Unternehmen auf diese Dienstleistung spezialisiert, die mit einem erheblichen finanziellen Aufwand für das entsprechende Unternehmen verbunden ist. Dies führt aber dazu, dass deutsche Franchisegeber nur sehr zurückhaltend eine Expansion in das benachbarte Frankreich betreiben, da der damit verbundene Aufwand abschreckend wirkt.
Für die Einführung eines Franchisegesetzes könnte eigentlich nur ins Feld geführt werden, dass damit die Rechtssicherheit erhöht würde. Aber auch dieses Argument vermag mich nicht zu überzeugen. Einerseits besteht in der Bundesrepublik Deutschland überhaupt kein Mangel an Rechtssicherheit, da durch inzwischen unzählige Gerichtsentscheidungen und Veröffentlichungen von Fachautoren die zwischen Franchisegebern und Franchisenehmern geltenden Spielregeln detailliert geklärt sind. Selbst wenn es in einzelnen Fragen noch eine gewisse Rechtsunsicherheit gibt, kann die Einführung eines Franchisegesetzes diese nicht beseitigen. Gesetzliche Regelungen können aufgrund der Komplexität der Materie natürlich auch nicht jedes Detail regeln, sondern müssten an die bestehende Rechtslage anknüpfen. Wenn aber versucht wird, mit einigen wenigen Paragraphen im Bürgerlichen Gesetzbuch die Anforderungen an die vorvertraglichen Aufklärung und den Vertragsinhalt eines Franchisevertrages zu regeln, ist man ebenfalls darauf angewiesen, dass der Inhalt dieser gesetzlichen Regelungen mit Hilfe von gerichtlichen Einzelentscheidungen aufgefüllt wird. Andererseits mussten wir Juristen in den letzten Jahren die Erfahrung machen, dass durch neue Gesetze bzw. Reformen, wie beispielsweise die Schuldrechtsreform, nicht mehr Rechtssicherheit geschaffen, sondern zahlreiche neue Streitfälle entstanden sind, die erst nach und nach eben durch Rechtsstreitigkeiten geklärt werden konnten. Wie schlampig der deutsche Gesetzgeber zum Teil arbeitet, wird zum Beispiel deutlich, wenn man sich die jahrelangen Diskussionen und Gerichtsentscheidungen zu der Muster-Widerrufsbelehrung vor Augen führt. Erst nach zahlreichen Versuchen ist es nun endlich gelungen, eine vor deutschen Gerichten nicht angreifbare Muster-Widerrufsbelehrung zu gestalten. Schließlich ist zu bedenken, dass sich das Franchiserecht natürlich nicht in einem rechtsfreien Raum befindet, sondern selbstverständlich zahlreiche Gesetze bzw. zahlreiche gesetzliche Regelungen, z. B. im Hinblick auf das Kartellrecht, das Verbraucherschutzrecht etc., Anwendung finden.
Zusammengefasst lässt sich sagen, dass die Einmischung des Staates in die Zusammenarbeit zwischen Franchisegeber und Franchisenehmer meiner Ansicht nach mit erheblichen Risiken verbunden wäre. Es wäre aufgrund der Erfahrungen der letzten Jahre bei anderen Gesetzgebungsvorhaben eher mit einer Verschlechterung der rechtlichen Rahmenbedingungen zu rechnen. Zudem ist eine staatliche Regulierung nicht sinnvoll, wenn, wie in dem vorliegenden Fall, der freie Markt bereits vernünftige Wege zur Selbstregulierung gefunden hat. Es gilt hier der Grundsatz: „Never touch a running system“. Im Gegenteil: Ich bin der Ansicht, dass insbesondere im Hinblick auf im Ausland ansässige Franchisegeber viel mehr betont werden sollte, welche Vorteile eine Expansion nach Deutschland hat. Es handelt sich nicht nur um das Land mit der größten Bevölkerungszahl in Europa, einer hohen Kaufkraft und einer zentralen Lage, sondern es besteht, eben aufgrund des Fehlens eines Spezialgesetzes, eine relativ große Freiheit bei der Etablierung eines Franchisesystems . Meiner Erfahrung nach schrecken beispielsweise amerikanische Franchisegeber vor einer Expansion auf dem deutschen Markt zurück, da sie glauben, es handele sich um einen überregulierten Markt. Dies mag für das Arbeitsrecht aus amerikanischer Sicht zutreffen, im Bereich des Franchising besteht aber im Vergleich zu Ländern wie Frankreich und Spanien, die über ein Franchisegesetz verfügen, große Gestaltungsfreiheit und damit eine besondere Attraktivität.
12.08.13 © copyright Dr. Volker Güntzel
Dr. Volker Güntzel
Rechtsanwalt
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
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