Digitalisierung in Franchise-Systemen: Interview mit Sylvia Steenken
Gemeinsam mit dem DFI (Deutsches Franchise Institut) bietet Sylvia Steenken einen IHK-Zertifikatslehrgang zum Digitalisierungsmanager für Führungskräfte in KMU’s und in Franchise-Systemen an. Steenken ist eine erfahrene Unternehmensberaterin, die sich unter anderem auf den Franchise-Aufbau und die strategische Franchise-Beratung mit ihrem Unternehmen FranchiseForYou spezialisiert hat. Ihr besonderes Augenmerk liegt dabei eben vor allem auf dem Bereich der Digitalisierung sowie des Multi-Channel-Managements. Ihre Erfahrung im Bereich Franchising zieht sie aus jahrelanger Mitarbeit und Gestaltung in einem Franchise-System, das über 400 Franchisenehmer zählt.
FranchisePORTAL: Wie wirkt sich die Digitalisierung auf Franchisesysteme aus?
Sylvia Steenken: Die Auswirkungen sind sehr vielschichtig und je nach Geschäftsmodell verschieden – für manche auch existenzgefährdend. Für stationäre Systeme, insbesondere im Einzelhandel, steht v.a. der große Druck durch den steigenden Onlineverkauf im Fokus. Hier sind die Systeme gefordert, eine sinnvolle Strategie für die Verbindung von online und offline Verkäufen zu finden und Kunden zu ihren Franchisenehmern zu routen.
Für alle Systeme gilt zudem, dass die Ansprüche an ihre Zentralen und deren Dienstleistungen wachsen. Zunehmend „digital sozialisierte“ Franchisenehmer – sogenannte Digital Natives – erwarten auch effiziente, benutzerfreundliche Prozesse und mobil abrufbare Informationen. Wer junge Franchise-Interessenten überzeugen will, braucht moderne Strukturen der Zentrale.
FranchisePORTAL: Die Digitalisierung bietet also Vorteile im Wettbewerb um Franchisenehmer?
Sylvia Steenken: Der Digitalisierungsgrad der zentralen Prozesse wird nach meiner Einschätzung ein zunehmend wichtiger Faktor dabei sein. Die Digital Natives der neuen Franchisenehmer-Generation erwarten automatisierte Prozesse und werden sich „altmodischen“ Systemen nicht anschließen. Für die Systemzentrale mag dieser Druck unangenehm sein, die Digitalisierung bietet aber vor allem die Chance, die zentralinternen Prozesse effizienter und effektiver zu machen.
FranchisePORTAL: Warum sind viele Systeme noch eher zurückhaltend in Sachen Digitalisierung?
Sylvia Steenken: Viele etablierte Systeme sehen die Digitalisierung sowie die Integration bestehender Prozesse und Systeme als ein komplexes, zeit- und kostenintensives Projekt und scheuen es daher. Aufgrund der schnellen Weiterentwicklung ist es zudem schwierig immer auf dem aktuellsten Stand zu bleiben und sich für die richtigen Themen zu entscheiden. Was für die etablierten Systeme wie eine Herkulesaufgabe wirkt, nutzen junge Systeme als Chance: Neue Systeme können durch den Einsatz von standardisierter Software auf Cloud Basis (IT as a Service) die Anfangsinvestitionen in Hardware, Software und Mitarbeiter stark reduzieren und auf die Wachstumsphasen verteilen. Dadurch ist ein Start heute günstiger als früher.
FranchisePORTAL: Wie lassen sich Digitalisierungsprozesse vorbereiten, um nicht im Blindflug zu starten?
Sylvia Steenken: Jedes Unternehmen – ob Franchise oder nicht – sollte sich zunächst einen guten Überblick über den Digitalisierungsgrad des eigenen Marktes und des Wettbewerbs verschaffen. Zu klären gilt es vor allem, wo und wie sich das Unternehmen digital positionieren kann und wo dringender Nachholbedarf besteht. Danach geht es an die internen Prozesse, um dort nach Kosteneinsparungs- und Wachstumsmöglichkeiten zu suchen.
Die konsequente Digitalisierung eines Unternehmens ist eine zentrale Managementaufgabe und kein einmaliges Projekt. Wichtig ist, alle Initiativen in eine Digitalisierungsstrategie einzubetten und auch den nötigen Kulturwandel einzuleiten.
FranchisePORTAL: In welchen Bereichen sehen Sie innerhalb der Franchisezentralen das wichtigste Digitalisierungspotenzial?
Sylvia Steenken: Im Franchising ist die Standardisierung und Automatisierung noch wichtiger als in anderen Unternehmen. Gute Ansatzpunkte sind beispielsweise der Know-how Transfer und die Kommunikation. Beide können über E-Learnings, Webinare und Chats sinnvoll digital ergänzt werden. Für die Dokumentation des Know-hows empfiehlt sich außerdem ein digitales und in die Prozesse integriertes Handbuch. Für Kernprozesse kann ein automatisiertes Benchmarking erfolgen, um so nicht nur den Lernfortschritt, sondern auch die Umsetzung der Inhalte zu überprüfen. Wichtig ist auch die Vereinfachung von Supportprozessen, z.B. die Bestellung von individualisiertem Marketingmaterial.
Für Franchisesysteme, die neben ihren Franchisenehmern noch andere Vertriebswege wie Online oder Telesales nutzen, liegt die besondere Herausforderung in der Steuerung und Verbindung der Kanäle. Die heutigen Kunden erwarten professionell integrierte Angebote, egal wo sie kaufen.
FranchisePORTAL: Welche interne Expertise benötigen Franchisesysteme für eine erfolgreiche Digitalisierung?
Sylvia Steenken: Die meisten Unternehmen starten mit einzelnen Themen, die ihnen von den jeweiligen Experten als unbedingt notwendig empfohlen werden. Teilweise ist es aber bei der Priorisierung schwierig zu entscheiden, welche Maßnahme am sinnvollsten ist und was sie kosten darf. Deshalb ist es wichtig, auch internes Digitalisierungs-Know-how aufzubauen. Dabei meine ich keine eigene Experten-Schar, sondern eine Person in der Führungsebene, die affin für dieses Thema ist, den Überblick über das gesamte System und Zugang zu allen Bereichen hat.
FranchisePORTAL: Sie haben zusammen mit der IHK Erfurt, der EKA und dem DFI einen Zertifikatslehrgang konzipiert, um einen unternehmensinternen Digitalisierungsmanager auszubilden. Was ist das Besondere daran?
Sylvia Steenken: Die Teilnehmer lernen, eine nachhaltige Digitalisierungsstrategie zu entwickeln – und das mit hundertprozentigem Praxisbezug. Der Lehrgang startet mit der Ist-Analyse des Digitalisierungsgrads des eigenen Unternehmens und jeder Teilnehmer entwickelt im Laufe der drei Module seine individuelle Digitalisierungsstrategie. Dazu geben wir im abschließenden Fachgespräch auch ein ausführliches Feedback.
Wir konnten sehr gute Referenten für uns gewinnen, die alle aus der Praxis kommen. Sie vermitteln einen tiefen Einblick in ihre Fachgebiete wie Strategieentwicklung, digitale Technologien, Vernetzung, digitales Marketing, digitaler Vertrieb und die damit verbundenen rechtlichen und kulturellen Fragestellungen.
FranchisePORTAL: Sie sprechen die kulturellen Veränderungen an. Wie stehen Sie zum heute so oft zitierten Trial & Error-Prinzip? Muss man manche Dinge einfach ausprobieren und ggf. scheitern, wie es sehr häufig bei digitalisierten Startups zu sehen ist?
Sylvia Steenken: Digitalisierte Start-ups schaffen es oft mit sehr geringem Budget neue Produkte und Leistungen auf den Markt zu bringen und zu testen. Was nicht läuft, wird eingestellt oder modifiziert bis es passt. Scheitern ist dabei ein logischer Schritt auf dem Weg zum Erfolg. Diese Mentalität gibt es in vielen etablierten Unternehmen nicht. IT-Projekte werden über Jahre geplant und mit stringentem Projektplan umgesetzt, selbst wenn es mittlerweile bessere Lösungen gibt. Um nicht von den Start-ups abgehängt zu werden, ist es wichtig, das Trial & Error-Prinzip als wichtigen Bestandteil der eigenen digitalen Unternehmenskultur zu etablieren. Worauf man dabei achten sollte, vermitteln wir natürlich auch in unserem Lehrgang.
Alle Informationen zum Zertifikatslehrgang Digitalisierungsmanager IHK finden Sie unter folgendem Link: http://www.franchise-institut.de/seminare/digitalisierungsmanager-ihk/ueberblick.html
Außerdem finden Sie ein spannendes Whitepaper von Frau Steenken zum Thema
Digitalisierung im Franchising hier kostenfrei zum Download.
23.06.16 ©opyright FranchisePORTAL (VI)