Ratgeber & Podcast

für Franchisezentralen

Franchise bei Apotheken

Die Zeit der Kooperationen ist gekommen

Jeder von uns kennt den Hinweis „zu Risiken und Nebenwirkungen fragen Sie Ihren Arzt oder Apotheker“. Die Apothekenlandschaft befindet sich spürbar im Wandel und seit Kooperationskonzepte wie DocMorris, VitaPlus oder die easy Apotheken an Bedeutung gewinnen, fragen sich immer mehr Apotheker nach den Risiken und Nebenwirkungen von Kooperationen für ihren Berufsstand. Ein Berufsstand, der sich den Heilberufen zugehörig fühlt und der Pillen, Pasten und Pflaster nicht als Handelsware versteht, sondern stets vom Auftrag der Arzneimittelversorgung der Bevölkerung spricht. Aber sehen die Kunden das genauso oder gibt es diesen Berufsmythos gar nicht mehr in dieser Form?

Kritik
Der Standpunkt der Bundesapothekerkammer, auf einer Verbandstagung in Starnberg ganz offiziell vorgetragen, lautet: „Die Apothekenpflicht ist Verbraucherschutz, weil nur der Apotheker qualifiziert beraten kann“. Nur der akademisch ausgebildete Pharmazeut kann gewährleisten, dass der Verbraucher durch Arzneimittel nicht geschädigt, sondern seine Gesundheit gefördert wird. Der Gedanke ist zweifellos richtig aber teilweise zu theoretisch – denn wie sieht der Verbraucherschutz in der Praxis aus? Das bekannte Schmerzmittel Paracetamol ist zum Beispiel in Deutschland apothekenpflichtig, in den USA dagegen in jedem Supermarkt erhältlich. Wer seinem Leben ein Ende bereiten will, hat gute Chancen, dieses Ziel durch die Einnahme von drei Dutzend dieser Tabletten zu erreichen – das wird auch kein Apotheker verhindern können. In jedem Baumarkt gibt es genug höchst gefährliche Substanzen, die jedermann kaufen kann und dass der an fast jeder Ecke erhältliche Alkohol laufend Menschenleben kostet, ist auch allgemein bekannt.

Apothekenkooperationen
Tatsache ist dagegen, dass es schon heute rund 40 Apothekenkooperationen mit unterschiedlichen Zielsetzungen gibt und dass fast 70 Prozent aller deutschen Apotheken mindestens einer Kooperation angehören. Viele Kooperationen beziehen sich auf Einkauf und Marketing, einige verfolgen Discountstrategien, andere positionieren sich als Fachkonzepte oder bilden Dachmarken. Ein Indiz für ein gewisses Umdenken. Die Nutzung ausländischer Versandapotheken oder sogenannter Pick-up-Stellen ist für einen Teil der Verbraucher heute bereits selbstverständlich. Aber die inhabergeführte Apotheke als Assistenz des Arztes, mit Notdienst und qualifiziertem „Alles wird gut“-Personal prägt immer noch das Bild in der breiten Öffentlichkeit. Worüber sich der Verbraucher aber keine Gedanken macht, sind die gesetzlichen Rahmenbedingungen für die Apotheken – und die wandeln sich derzeit ganz gewaltig. Die wichtigste Entscheidung in den nächsten Monaten wird ausnahmsweise nicht die allgegenwärtige Gesundheitsministerin Ulla Schmidt treffen, sondern der Europäische Gerichtshof (EuGH). Apotheker dürfen nach den aktuellen gesetzlichen Regelungen neben ihrer Hauptapotheke bis zu drei weitere Filialen betreiben und der EuGH wird in Kürze ein Urteil zu diesem Fremd- und Mehrbesitzverbot treffen. Sollte das Gericht diese Einschränkungen aufheben oder weitgehend lockern, wäre das eine große Chance für das Franchising im Apothekenmarkt , allerdings gehen die meisten Fachleute davon aus, dass der EuGH dem Schlussantrag des Generalanwalts folgt und danach verstößt das Fremdbesitzverbot von Apotheken in Deutschland nicht gegen das Gemeinschaftsrecht der Europäischen Union.

Der Apothekenmarkt im Wandel
Unabhängig von den Entscheidungen der Politik oder der Gerichte hat der Wandel im deutschen Apothekenmarkt aber bereits deutlich an Fahrt gewonnen. Der Versandhandel, Discountanbieter wie DocMorris mit über 150 Outlets, A-plus Service mit rund 240 Verkaufspunkten oder regionale Kooperationen wie VitaPlus sind nur drei Beispiele dafür, den wirklichen Bedürfnissen der Kunden näher zu kommen. Eine aktuelle Studie des Augsburger Instituts für Management im Gesundheitswesen auf Grundlage von 64.000 Befragungen belegt eindrucksvoll, wie sich das Kundenverhalten und die Kundenbedürfnisse in den letzten Jahren gewandelt haben und was für die Zukunft zu erwarten ist. Während eine Apotheke Mitte der neunziger Jahre noch 60 Prozent Stammkunden hatte, liegt die Quote heute nur noch bei 44 Prozent. Der Anteil der Patienten, die direkt vom Arzt in die Apotheke kommen, ist in den letzten Jahren um mehr als 10 Prozent gesunken. Immer mehr Kunden lassen sich in der Apotheke beraten, kaufen anschließend aber doch per Internet über eine Versandapotheke. Das sind nur ein paar Beispiele zu den veränderten Verhaltensmustern. Das Bild, das Apotheker von ihren Kunden haben, weicht ganz erheblich von dem Bild ab, das die Kunden von ihrer Apotheke haben.


Apotheken als Franchise-Unternehmen
Während Apotheker ihre Sozialkompetenz oder Serviceleistungen wie die Kundenzeitschrift für Erfolgsfaktoren halten, stehen bei den Kunden die Rezepturverfügbarkeit, das Preis-Leistungsverhältnis und die Übersichtlichkeit der Warenpräsentation ganz oben in der Erwartung. Das alles sind Aufgaben, die durch das Know-how eines Franchisesystems effektiv gelöst werden können. Aber nicht alles, was machbar ist, ist auch ein wirklicher Fortschritt. Umstritten sind zum Beispiel die sogenannten Pick-up-Stellen. Die Pick-up-Stellen sind Abholpunkte für vorher bestellte Arzneimittel, bei denen jedoch die Kontrolle eines Pharmazeuten bei der Übergabe an den Kunden fehlt. Ein Umstand, der sicher nicht zu Unrecht von den Apothekern kritisch gesehen wird, denn auch bei Arzneimitteln gibt es immer häufiger Produktfälschungen, die nur durch fachliche Kompetenz erkannt werden können.

Der Bundesverband Deutscher Apothekenkooperationen e.V. (BVDAK), der sich im Februar 2007 konstituiert hat, setzt sich unter anderem für eine funktionierende Apothekenlandschaft ein, die von Vielfalt, Konkurrenz und Wettbewerb lebt. Er verfolgt ein Leitbild echter Partnerschaften zwischen Lieferanten und Dienstleistern und setzt sich für den Erhalt mittelständischer Strukturen ein. Eine Vernetzung der Marktteilnehmer wird als dringend geboten erachtet, die Förderung der fachlichen Qualifikation des Apothekenpersonals und der Erfahrungsaustausch unter den beteiligten Mitgliedern sind weitere Ziele des Verbandes. Das alles sind Elemente, die das Franchising seit Jahrzehnten zum intelligenten Geschäftsmodell des Mittelstandes machen. Die jährlichen Wachstumsraten bei der Anzahl der Franchisepartner, der Arbeitsplätze und der erzielten Umsätze beweisen das Jahr für Jahr eindrucksvoll.

Zukunftsperspektiven
Trotzdem werden die schon jetzt und auch künftig bestehenden Möglichkeiten, Apotheken zu franchisieren, viel zu zaghaft genutzt. Ein Zahlenspiel soll die Dimension dieser Möglichkeiten verdeutlichen: Nach Angaben des BVDAK gab es Ende 2007 in Deutschland 21.570 Apotheken. Wenn sich davon mittelfristig 4.000 Apotheken einem Franchisesystem anschließen würden, wären das immer noch deutlich weniger als 20 Prozent aller Betriebe. Über 80 Prozent aller Apotheken würden sich, wie bisher, in freier unternehmerischer Entscheidung individuell präsentieren. Es wäre aber eine solide wirtschaftliche Perspektive für mindestens 8 bis 10 Franchisegeber. Der Großhandel, seit jeher wichtiges Bindeglied zwischen Industrie und Apotheken, verfügt über die besten Voraussetzungen, diese wirtschaftliche Chance zu ergreifen und Franchisegeber zu werden. Er arbeitet mit klaren Strategien und mit erprobten, nahezu perfekten Prozessabläufen im operativen Geschäft. Die Leistungen für die Apotheken als Franchisepartner wären durchaus ausbaufähig und eine positive Markenbildung, an der sich die Kunden orientieren können, sollte kein wirkliches Hindernis sein. Und selbst das erforderliche Kapital für die Etablierung solcher Franchisekonzepte ist auch heute noch, trotz dünner werdender Gewinnmargen, beim Großhandel immer noch vorhanden. Für Kooperationen im Sinne leistungsfähiger Franchisesysteme gibt es daher klare Zukunftsperspektiven wenn die Finanzkraft des Großhandels, eine stabile Unternehmenspolitik und ein kundenorientiertes Produktportfolio als Fundament strategischer Partnerschaften gewollt sind. Die einzelne Apotheke als Franchisepartner muss unter dem Strich mehr wirtschaftlichen Nutzen als Kosten haben – aber das ist letztlich ein grundsätzliches Kriterium in der Zusammenarbeit zwischen Franchisenehmern und Franchisegeber. Franchising als Kooperationsmodell soll die wirtschaftliche Entwicklung der Partner veredeln und nicht vereiteln.


Negative Entwicklungen sind nicht zu befürchten
Hier und da ist die Mahnung zu hören, dass Apotheken in jedem Fall auch in Zukunft nur von ausgebildeten und selbstständigen Apothekern betrieben werden dürften, also auf keinen Fall von ausschließlich gewinnorientierten großen Kapitalgesellschaften. Sonst besteht die Gefahr, dass ohne Rücksicht auf die Interessen der Kunden die Erzielung höherer Gewinne in den Vordergrund tritt, die Angebotsvielfalt gefährdet ist und spürbare Preissteigerungen wahrscheinlich sind. Das ist sicher nicht zu befürchten, denn die gesetzlichen Vorgaben zum Berufsbild des Apothekers, die Apothekenbetriebsordnung, die Arzneimittelpreisverordnung und andere Regelungen haben unbestritten ihre Berechtigung und verhindern derartige Entwicklungen. Es muss aber genauso klar gesagt werden, dass ein Apotheker als Franchisenehmer vor Ort in seiner Beratungs- und Entscheidungsfreiheit gegenüber dem Kunden in keinster Weise eingeschränkt werden darf und seiner Verantwortung als Heilberufler jederzeit gerecht werden muss. Der Franchisegeber muss allerdings gewisse Durchgriffsrechte zur Optimierung des Systems haben – und genau davor fürchten sich viele Berufsträger. Hier ist sicher noch Aufklärungsarbeit zu leisten.

Fazit: Die Chancen des Franchising sind im Bewusstsein der meisten Apotheker bis jetzt noch nicht angekommen. Die Vorurteile gegen diese intelligente Form der Kooperation sind bei dieser Berufsgruppe noch zu groß. Franchising wird hier gedanklich immer noch gleichgesetzt mit „billig, schnell und oberflächlich.“ Das ist falsch, denn es gibt zahlreiche erfolgreiche Franchisesysteme, die mit äußerst komplexen Geschäftsfeldern in wenigen Jahren zum Marktführer geworden sind und sich gegen jede Konjunkturkrise behauptet haben. Der überregulierte Apothekenmarkt in der jetzigen Form wird sich wandeln, auch wenn es eine große Lobby der Besitzstandswahrer gibt. Aber wie heißt es so schön ? Auch große Elefanten müssen mit kleinen Stöcken angetrieben werden – und der Arzneimittelmarkt ist eine stattliche Herde dieser sympathischen Tiere.

Bildquelle: photocase.de (Elliyot, bobot, sheym)

Seit 1988 berät Reinhard Wingral branchenübergreifend die Franchisewirtschaft. Er ist geschäftsführender Gesellschafter der Wingral & partner unternehmensberatung für Franchising und innovation mit Sitz in Eckernförde und Vorstandsvorsitzender der Global Franchise AG. Die Global Franchise AG hält Beteiligungen an Franchiseunternehmen und führt das Systemmanagement junger Systeme. Zahlreiche innovationen für die Franchisewirtschaft sind durch ihn entstanden, zum Beispiel:
• initiator und geschäftsführender Gesellschafter der ersten
Beteiligungsgesellschaft , die sich mit Risikokapital an Franchisesystemen
beteiligt
• Entwicklung des Berufsbildes „Franchise Management iHK“
für den DiHt als Qualitätsstandard für Systemzentralen
• Mediation für Franchisekonflikte auf Grundlage der Hamburger
Mediationsordnung
• Begleitung des Eu-projekts pHARE 1.07 und Grundvight 2 „Franchising im Baltikum“
Es bestehen Mitgliedschaften im DFV, der iFLA und dem Chinesischen Franchise-Verband
(CCFA).
Reinhard Wingral ist Mitglied im Deutschen Franchise-Verband (DFV), der international
Lawyers Association (iFLA) und dem RKW sowie akkreditierter Berater bei der Bürgschaftsgemeinschaft
Hamburg, der KfW und anderen organisationen.
Kontakt:
r.wingral@wingral.de

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Reinhard Wingral
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Global Franchise AG

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