Ratgeber & Podcast

für Franchisezentralen

Franchise-Paket: Was verkauft der Franchisegeber?

Hubertus Boehm: Schönen guten
Morgen, liebe Teilnehmer. Dies ist zwar Freitag, der 13. Das bedeutet aber
nichts. Zumindest in München ist es ein strahlender Wintertag. Wir nehmen das
als gutes Omen. Ich freue mich auf Ihre Fragen! Ihr Hubertus Boehm

Leser: Guten Tag Herr Dr. Böhm, nur um sicher
zu gehen: Verstehen Sie unter Franchise-Paket das eigentliche Vertriebskonzept
oder aber die Betreuungsleistungen der Zentrale?

Hubertus Boehm: Unter
“Franchise-Paket” versteht man allgemein die Summe der Leistungen, die der
Franchise-Geber (FG) gegenüber dem Franchise-Nehmer (FN) erbringt. Sie werden
zeitlich unterteilt in zwei Phasen: Phase 1 umfasst die Leistungen bis zur
Eröffnung des Franchise-Betriebs, die in der Regel mit der Eintrittsgebühr
abgegolten sind. Phase 2 umfasst die laufenden Leistungen während der
Vertragslaufzeit, die durch die laufende Franchise-Gebühr sowie eventuelle
Werbegebühren und sonstige Vergütungen abgegolten werden. In der ersten Phase
enthält das “Paket” insbesondere Unterstützung bei der Standortanalyse,
Mitwirkung bei Finanzierungs- und Mietverhandlungen, Unterstützung beim
Betriebsaufbau (oft auch schlüsselfertige Errichtung), umfassende Schulungen,
Organisation der Geschäftseröffnung und aktive Mitwirkung am Eröffnungstag. In
der zweiten Phase umfasst das “Paket” vor allem Internetpräsenz, überregionales
Marketing, Werbemittel, weiterführende Schulungen, Training on the job,
umfassende betriebswirtschaftliche und technische Betreuung, Hotline, Intranet,
Erfahrungsaustausch, zeitnahes Controlling und Benchmarking sowie
Schwachstellenanalysen und Optimierungsempfehlungen bei Bedarf.

Leser: Sehr geehrter Herr Dr. Böhm, ist es
ratsam, die der Eintrittsgebühr entsprechenden Leistungen detailliert
aufzuschlüsseln, um gegenüber dem Kandidaten für Transparenz zu sorgen?

Hubertus Boehm: Ja, damit
demonstrieren Sie auch den Gehalt und somit die Wertigkeit des Franchise-Pakets
in dieser Phase. Der Franchise-Nehmer (FN) weiß genau, was er für die
Eintrittsgebühr erhält. Er kann diese Investition leichter gegenüber seinem
Rechts- oder Steuerberater sowie Familienmitglieder oder Freunden rechtfertigen.
Falls es einmal zu einem Prozess kommen sollte, kann der Richter besser
beurteilen, ob die Eintrittsgebühr angemessen war oder nicht. Das gleiche gilt
natürlich für die Leistungen während der Vertragslaufzeit in Hinblick auf die
laufende Franchise-Gebühr.

Leser: Werden eigentlich die ERFA-Tagungen
durch die monatlichen Lizenzgebühren kostenmäßig abgedeckt?

Hubertus Boehm: Ja, das ist
richtig. Reisekosten sind natürlich von den Teilnehmern zu zahlen.

Leser: Sehr geehrter Herr Dr. Boehm! Als
Franchise-Nehmer muß ich dem Franchise-Geber gewisse Sicherheiten bieten. Welche
Sicherheit kann ich im Gegenzug vom Franchise-Geber erwarten?

Hubertus Boehm: Die Sicherheit, die
Ihnen der Franchise-Geber (FG) bietet, liegt im wesentlichen in seiner
Marktposition und seinem Ruf, d.h. Image und Bekanntheitsgrad. Daneben bietet
eine positive Historie Sicherheit. Oft kommen materielle Werte hinzu, wie
Bürogebäude, Geschäftseinrichtungen, Lager oder Fuhrpark. Entscheidend für Sie
als Franchise-Nehmer (FN) dürfte der Ruf sein. Das Image eines Unternehmens
stellt oft einen großen Wert dar. Dieser immaterielle Wert kann durchaus größer
sein als die vorhandenen materiellen Werte. Wenn publik wird, dass der FG
unseriös handelt, leidet das Image. Damit wird die weitere Expansion des
Unternehmens behindert, und der FG hat selbst einen beträchtlichen Schaden.
Richtschnur für die Seriosität eines FG ist der Ethische Kodex des Deutschen
Franchise Verbandes (DFV). Jeder namhafte FG ist ohnehin Vollmitglied des
Verbandes. Der DFV prüft vor der Aufnahme eines neuen Mitglieds sowie auch
danach in regelmäßigen Abständen die Qualität des Geschäftskonzepts und der
Serviceleistungen. Daher ist die Verbandsmitgliedschaft als Gütesiegel
anzusehen. Informationen zum Ethischen Kodex finden Sie unter
www.dfv-franchise.de.

Leser: Welchen Unterstützungsmaßnahmen des
Franchisegebers ist oberste Priorität einzuräumen?

Hubertus Boehm: Das hängt natürlich
stark von der gegebenen Konstellation ab. Der Frnachise-Geber (FG) hat gegenüber
seinen Franchise-Nehmern (FN) die Rolle eines Dienstleisters. Seine Aufgabe
besteht darin, den FN erfolgreich zu machen und auf Erfolgskurs zu halten.
Welche Leistungen, abgesehen von Betriebsaufbau und Markteinführung, im
Vordergrund stehen, hängt vom persönlichen Profil der typischen FN ab. Sind die
FN in der Regel branchenfremde Gründer, ist der Unterstützungsbedarf anders als
bei erfahrenen Fachleuten der Branche im konvertierenden Franchising, d.h. wenn
der Betrieb schon lange besteht und nur einen neuen “Mantel” erhält.
Schwerpunkte in der Betreuung sind gewöhnlich Marketingunterstützung,
Wissensvermittlung durch Schulung und Erfahrungsaustausch sowie zeitnahes
Erfolgsmonitoring (Controlling) im Betriebsvergleich mit gezielter
Beratung.

Leser: Hallo, wir wollen unsere Partner
künftig bei der PR-Arbeit unterstützen. Welche Unterstützung ist neben Vorlagen
und Adressen wünschenswert?

Hubertus Boehm: Der Franchise-Geber
(FG) unterstützt seine Partner (FN) in der Öffentlichkeitsarbeit (PR) auf zwei
Ebenen. Überregional betreibt der FG eigene PR zum Aufbau und Ausbau der Marke.
Zu den Maßnahmen gehören insbesondere Internetpräsenz, Messebeteiligungen,
Teilnahme an Kongressen oder ähnlichen Veranstaltungen und redaktionelle
Beiträge in überregionalen Medien. Über die Nutzung der Marke “erntet” der FN
indirekt die “Früchte” dieser Aktivitäten. Auf der regionalen Ebene ist PR
Aufgabe des FN. Der FG unterstützt hier den FN insbesondere mit Textvorlagen,
Argumentationskatalogen sowie Empfehlungen über das zweckmäßige Vorgehen. Die
regionale PR ist nicht nur auf die Marke bezogen, sondern stellt zugleich die
Persönlichkeit des FN in den Vordergrund. Damit werden Kundennähe und Bezug zur
Region demonstriert. Übliche PR-Maßnahmen sind individualisierte Seiten der
gemeinsamen Website, personenbezogene redaktionelle Beiträge in den regionalen
Medien, Mitwirkung an Verbrauchermessen und Veranstaltungen, Mitgliedschaft in
örtlichen Vereinen und Clubs. Ein besonderes Ereignis ist gewöhnlich die
Eröffnungsveranstaltung. Sie wird vom FG organisiert. Soweit möglich werden
Vertreter des öffentlichen Lebens und der Presse eingeladen.

Leser: Welche Leistungen eines
Franchisesystems werden durch die Eintrittsgebühr und welche durch die
umsatzbezogenen Franchise-Gebühren vom Franchisenehmer honoriert?

Hubertus Boehm: In der ersten Frage
habe ich ausführlich den Inhalt des Franchise-Pakets dargestellt. Dabei habe ich
bewusst unterschieden in die Phase bis zur Betriebseröffnung und die laufende
Betriebsführung. Wie dort ausgeführt werden die Leistungen der ersten Phase mit
der Eintrittsgebühr abgegolten, die späteren Leistungen mit der laufenden
Franchise-Gebühr.

Leser: Ist es sinnvoll direkt nach der
Einführung eines neuen Markennamen, Franchisenehmer zu akquirieren um ein
Franchisesystem aufzubauen oder sollte sich der neue Name erst auf den Markt
festigen, sodass der Bekanntheitsgrad höher ist?

Hubertus Boehm: Bevor ein
Franchise-Geber (FG) mit der Rekrutierung von Franchise-Nehmern (FN) beginnen
kann, muss er sein Geschäftskonzept zunächst in mehreren Pilotbetrieben
erproben. Dabei ist zu klären, ob das Marktangebot für die Zielgruppe attraktiv
ist und der Geschäftstyp dauerhafte Gewinne verspricht. Letztlich “verkauft” der
FG seinen FN Gewinnchancen, und zwar auf Dauer. Eh dies nicht geklärt ist, wäre
eine Anwerbung von FN unseriös. Die Pilotbetriebe sind Filialen, weil der FG das
Erprobungsrisiko nicht auf FN abwälzen kann. Außerdem wird jeder FN danach
fragen, wie viele Betriebe wie lange bereits erfolgreich laufen. Im Rahmen der
“Vorvertraglichen Aufklärung” nach den Richtlinien des Deutschen Franchise
Verbandes (DFV) muss der FG in dieser Hinsicht für Transparenz sorgen. Abgesehen
davon verlangt die Gruppenfreistellungsverordnung der EU für vertikale
Vertriebssysteme die Übertragung von Know-how auf die FN. Als Know-how gilt
ausschließlich Erfahrungswissen, nicht jedoch ein unerprobtes Geschäftskonzept.
Die Verordnung wird von Gerichten allgemein als Richtschnur herangezogen, wenn
es um die Beurteilung der Seriosität eines Franchise-Systems geht. Die Marke
“greift” erst dann, wenn das Franchise-System im Markt einen guten Ruf genießt
und allgemein bekannt ist. Bei einem jungen Franchise-System ist dies nicht
möglich. Daher tritt die Marke zunächst zwangsläufig etwas in den Hintergrund.
Sie entwickelt sich erst mit der marktweiten Expansion.

Leser: Welche Voraussetzungen müssen
zutreffen, damit der Aufbau eines Franchisesystems in Betracht gezogen werden
kann? In welchen Fällen reicht eine bloße Lizenzvergabe aus?

Hubertus Boehm: Ein
Franchise-System ist frei gestaltbar. Die Variationsbreite reicht von der
“strengen” Variante des “Business Format Franchising” auf der einen Seite bis
zur “Softvariante” des Lizenzsystems auf der anderen Seite. Der Unterschied
besteht im wesentlichen in der Serviceintensität und der Einflussnahme des
Franchise-Gebers (FG). In beiden Fällen muss das Geschäftskonzept des FG
Wettbewerbsvorteile in irgendeiner Form aufweisen. Andernfalls wäre kein
Franchise-Nehmer (FN) bereit, Eintrittsgebühren und laufende Gebühren zu
bezahlen sowie sich der notwendigen Gruppendisziplin zu unterwerfen. Beim
klassischen Franchising übernimmt der FG de facto (nicht im Vertrag!)
Mitverantwortung für den wirtschaftlichen Erfolg der FN. Sie setzt einen
zeitnahen Einblick in die Aktivitäten und den Erfolg der FN im Rahmen des
System-Controlling voraus. Außerdem erfordert sie eine permanente
situationsgerechte Betreuung der FN im Sinne einer optimierenden
Vertriebssteuerung. Der FG handelt aktiv. Er unternimmt alles, was notwendig
ist, um den Erfolg der FN sicherzustellen. Unter diesem “Serviceschirm”
konzentrieren sich die FN voll auf ihre Kernkompetenzen: Verkauf und
Kundenbetreuung sowie Personalführung (falls Mitarbeiter vorhanden). Im
Gegensatz dazu ist der Lizenz-Geber (LG) im Lizenz-System während der
Vertragslaufzeit weitgehend passiv. Er unterstützt die Lizenz-Nehmer (LN) beim
Betriebsaufbau, gewährt ihnen die Nutzungsrechte an der Marke und vermittelt
ihnen in der Schulung das notwendige Anwendungswissen. Danach überlässt er die
LN weitgehend ihrem Schicksal. Die laufenden Dienstleistungen beschränken sich
gewöhnlich auf Hotline, Intranet und gelegentlichen Erfahrungsaustausch.
System-Controlling und intensive Betreuung entfallen. Das Lizenz-System ist dann
vertretbar, wenn es dem LG nur darum geht, ein Geschäftskonzept möglichst
schnell und möglichst breit zu vermarkten. Verfolgt der System-Geber dagegen
strategische Ziele (Aufbau eines Vertriebssystems für Waren und
Dienstleistungen), wird er sich im Interesse der Steuerbarkeit und Sicherheit
für ein straffes Franchise-System im Sinne des “Business Format Franchising”
entscheiden.

Leser: In welcher Form sollten Franchise-Geber
ihren Partnern in wirtschaftlichen Notlagen zur Seite stehen?

Hubertus Boehm: Das ergibt sich aus
der Philosophie des Franchising. Wenn die Mission des Franchsie-Gebers (FG)
darin besteht, seine Franchise-Nehmer(FN) erfolgreich zu machen und zu halten,
muss er alles unternehmen, was diesem Ziel dient. Darüber hinaus muss der FG
auch im eigenen Interesse die FN in Notlagen unterstützen, weil sie im Markt
unter seiner Marke auftreten und somit sein Unternehmen repräsentieren. Jeder
vom Markt wahrgenommene Misserfolg eines FN schlägt über den Goodwill der Marke
unmittelbar auf den FG zurück. Zu den typischen Notlagen gehört der Ausfall
eines FN durch Tod oder Krankheit. Es versteht sich von selbst, dass der FG in
diesem Fall unverzüglich Ersatzkapazität zur Verfügung stellt, um das Geschäft
lückenlos weiterzuführen. Soweit der Ausfall nicht vorübergehend ist, wird sich
der FG darum bemühen, einen neuen FN für diesen Betrieb zu finden. Grundsätzlich
ist es auch denkbar, dass der FG für begrenzte Zeit oder auf Dauer den Betrieb
als Filiale weiterführt. Dass solche Übergangslösungen fair gestaltet werden und
bereits im Vertrag vorgesehen sind, gehört ebenfalls zur Philosophie des
Franchising. Gerät der FN aber in finanzielle Schwierigkeiten, wird ihn der FG
in der Verhandlung mit den Banken unterstützen. Eine finanzielle Beteiligung des
FG am Geschäft des FN ist dagegen in der Regel keine franchise-typische
Problemlösung. Denkbar sind allenfalls Valutaregelungen für
Warenlieferungen.

Leser: wie erfolgreich setzt sich die
Franchise-Idee in Deutschland durch. Ist das Konzept aufsteigend, oder eher
rückläufig und warum?

Hubertus Boehm: Seit 1970
expandiert Franchising in Deutschland kontinuierlich. Inzwischen gibt es rund
850 Franchise-Systeme mit rund 40.000 Franchise-Nehmern und ca. 400.000
Beschäftigten. Damit ist die Franchise-Wirtschaft zu einem wesentlichen Segment
der Gesamtwirtschaft geworden – insbesondere im Mittelstand. Franchise-System
schaffen und sichern mittelständisches Unternehmertum. Daher wird Franchising
auch von der Bundesregierung und der EU-Kommission nachdrücklich gefördert. Für
die Finanzierung von Franchise-Nehmern (FN) werden jährlich beträchtliche
Fördermittel zur Verfügung gestellt. Der Wachstumstrend des Franchising wurde
auch durch die wirtschaftliche Flaute der letzten Jahre nicht gebremst.
Zukunftsforscher gehen davon aus, dass bereits im Jahr 2010 Franchising zu den
bedeutendesten Vertriebsformen gehören wird. Eine Ende der Expansion ist nicht
abzusehen. Der sich verstärkende Verdrängungswettbewerb in nahezu allen Märkten
erhöht die Anforderungen an Handels- und Dienstleistungsbetriebe. Der
“Einzelkämpfer” ist nicht mehr in der Lage, den erhöhten Anforderungen gerecht
zu werden. Er braucht Wissen und Unterstützung. Genau dies ist das
Leistungsprogramm eines Franchise-Gebers (FG). Er hält seine Franchise-Nehmer
(FN) im Rahmen der kompetenzorientierten Arbeitsteilung (“Fließbandprinzip”) von
Ballast frei, damit sie sich voll auf ihre eigentlichen Fähigkeiten
konzentrieren können.

Leser: Kann man spezieler Automatenverkauf
über Franchise abwickeln?

Hubertus Boehm: Grundsätzlich
eignet sich Franchising für nahezu alle Geschäftskonzepte, die
Wettbewerbsvorteile in irgendeiner Form besitzen, z.B. besondere
Produktmerkmale, innovative Dienstleistungen oder Sortimente, bekannte Marke.
Voraussetzung ist, dass das Konzept den Franchise-Nehmern (FN) langfristig
gesicherte Gewinnchancen bietet. Das typische Franchise-System bezieht sich auf
eine Vollzeittätigkeit. Es gibt allerdings auch Franchise-Systeme im
Teilzeitbereich. Darüber hinaus bieten einige Franchise-Systeme etablierten
Unternehmen ein “zweites Bein”.

Hubertus Boehm: Die Zeit ist
um. Sie ist wie immer schnell vergangen. Ich danke Ihnen für Ihre Fragen. Bis
zum nächsten Mal, Ihr Hubertus Boehm

Dr. Hubertus Boehm
SYNCON Consulting GmbH

Dr. Hubertus Boehm ist seit 1972 auf die Entwicklung von Franchise-Systemen spezialisiert und gehört auf diesem Gebiet zu den Pionieren im deutschsprachigen Raum.

Erhalten Sie Experten-Knowhow im Newsletter!