Franchisenehmer Typologie: Mehrfach Franchisenehmer und Franchiseinvestoren
In seinem Beitrag „Zu wenig neue Franchisepartner“ vom April diesen Jahres hat Michael Zinnäcker, Redaktionsleiter beim FranchisePORTAL, zu Recht sehr nachdrücklich darauf hingewiesen, dass kurzfristig der Bedarf der deutschen Franchisewirtschaft an neuen Franchisenehmern vom Angebot im Gründer-Markt nicht gedeckt wird. DFV Geschäftsführer Torben S. Brodersen stellte dazu fest: „Aufgrund des anhaltenden Franchisenehmermangels setzen zahlreiche Franchisesysteme inzwischen verstärkt auf die Expansion mit bestehenden Partnern.“
Neben dieser naheliegenden (Not- ???)Strategie rücken aber neue Gruppen von potentiellen Franchisenehmern, wie Facharbeiter, Mitarbeiter von Franchisepartnern aus der zweiten Reihe oder Franchiseinvestoren ins Blickfeld der Rekrutierungsbemühungen der über 950 deutschen Franchisegeber. Die klassischen Franchiseüberzeugungstäter als Neugründer – begeistert entweder von der Geschäftsidee des Franchisesystems oder getrieben vom eigenen Streben nach Selbstständigkeit – gibt es offensichtlich immer seltener.
Diese Entwicklung wird oft bedauert oder als bedauerlich empfunden. Abgesehen davon, dass Bedauern nur wenig, bis gar nicht hilfreich bei der Bewältigung der bestehenden Probleme ist, sollte man die ‘neuen’ Typen von Franchisepartnern aber nicht unmittelbar mit dem Oeuvre des Minderwertigen betrachten.
Mehrfach-Franchisenehmer, die innerhalb eines Systems mehrere, einige oder gar viele Standorte besetzen und führen sind ja eindeutig als ein Kompliment für das System zu werten. Ein Franchisepartner, der nach einiger Zeit zusätzlich zu seinem bestehenden Franchisevertrag noch einen zweiten, oder sogar dritten unterzeichnet, ist zweifelsohne mit seiner Erstentscheidung für die Kooperation im System hochzufrieden. Er beurteilt seine persönliche und wirtschaftliche Situation positiv und investiert mit Überzeugung und gelebter Erfahrung neues Geld in das vertraute System.
Durch die Franchisegeberbrille betrachtet, sind solche Ausgründungen bestehender Partner – bezogen auf die manchmal nicht unerheblichen Rekrutierungskosten bei der Gewinnung von neuen Partnern – äußerst kostengünstig und vergleichsweise unproblematisch in der Abwicklung und Handhabung. Der neue Franchisenehmer ist ein alter Bekannter. Er weiß, was ihn erwartet, ist vertraut mit den Gründungsabläufen, kennt die Strukturen und Gegebenheiten des zu bearbeitenden Marktes und fühlt sich im System gut aufgehoben.
Probleme wird ein Franchisegeber mit Expansionsabsichten bestehender Partner aber dann haben, wenn entweder ein – aus welchen Gründen auch immer – unbequemer oder als unbequem empfundener Partner solche Absichten äußert, oder ein erfolgreicher Mehrfach-Franchisenehmer bei einer weiteren Neugründung oder Übernahme eine solche Bedeutung im System erlangt, das die Franchisezentrale eine gefährlich zu werdende Machtposition dieses Partners befürchtet.
Im Falle „unbequem“ wird das entstandene Problem meist damit zu lösen sein, dass die Einwilligung in die Erweiterungsabsichten des Franchisenehmers von der Beilegung der noch offenen Konfliktpunkte abhängig gemacht wird. Hier kann die Expansionsabsicht also im Endeffekt sogar eine Art heilsamen Zwang ausüben.
Beim Aspekt „Machtfülle eines Mehrfach-Franchisenehmers“ sieht die Bewertung der Situation durch den Franchisegeber schon diffiziler aus. Die Grenzwerte für ein Zuviel an Einfluss, im Extremfall auch eine Erpressbarkeit, hängen von vielen Faktoren ab. Als da beispielsweise wären: Entwicklungsphase des Systems; zeitliche Taktung der Franchiseverträge des Multi-Franchisenehmers; inhaltliche Detaillierung der Vertragsgestaltung; Persönlichkeit des Franchisenehmers oder Grad der finanziellen Abhängigkeit des Franchisegebers von den Einnahmen aus einer vereinbarten Warenbezugsverpflichtung.
Die faktischen und atmosphärischen Gefahren von Konstellationen der in den USA als „Super-Franchisees“ betitelten Mehrfach-Vertragspartner sollte ein Franschisegeber nicht unterschätzen. Als Systemführer darf die Franchisezentrale nie – auch nur ansatzweise – die Aktionshoheit im System aus der Hand geben. Vor einigen Jahren ist in einem europäischen Nachbarland ein Multi-Franchisenehmer, der mehr als 60% der Standorte dieses Systems betrieben hatte, von einem Tag auf den anderen ausgestiegen. Unter Missachtung der bestehenden Kündigungsfristen. Auch jetzt – mehr als 5 Jahre später, und trotz eines gewonnenen Schadensersatzprozesses – hat sich das System von diesem Austritt noch nicht erholen können. Es betreibt spürbar weniger Standorte als vor dem Break-Out.
Das publicityträchtige deutsche Beispiel „Burger King“ und „Yi-Ko Holding“ zeigt, dass Konstellationen mit Super-Franchisenehmer für das gesamte System unangenehm bis gefährlich werden können. Die Yi-Ko Holding hatte über 90 Burger King Standorte mit ca. 3.000 Beschäftigten betrieben und war dann wegen Qualitätsproblemen und der praktizierten Arbeitsbedingungen in negative Schlagzeilen geraten. Burger King musste das System damals durch verschiedenste Maßnahmen, bis zur sofortigen Kündigung aller Franchiseverträge, vor einem tiefgreifenden Imageschaden bewahren.
Einen ganz gravierenden Fehler begeht das Management des Franchisegebers, wenn den Super-Franchisenehmern Sonderkonditionen bei der Franchisegebühr oder beim Warenbezug zugestanden oder gar angeboten werden. Ein solches Verhalten – man scheut sich bei solch einer Dummheit von Politik zu sprechen – schwächt unmittelbar und nachhaltig die Systemleistung. Denn: Ein Franchisesystem bezieht seine Kraft und Stärke zum ganz überwiegenden Teil aus der konsequenten Geschlossenheit des Marktauftrittes und der äußerst hohen Identifikation der eigenständigen Partner mit dem Gesamtapparat.
Ungleichbehandlung einzelner Standorte und oder Partner, die nicht auf nachvollziehbaren Aspekten, wie z.B. Sonderpreise für die Abnahme größerer Verpackungseinheiten, beruhen, bewirken nur Eins: Unruhe im System. Und damit Blessuren beim Markenimage. Selbst, als nach dem Fall der Mauer in den 90er Jahren des letzten Jahrhunderts einige Systeme in den sogenannten neuen Bundesländern eine abgespeckte Franchisegebühr erhoben, hat dies zu zum Teil harten internen Diskussionen geführt.
Mehrfach-Franchisenehmer sind zusammenfassend gesagt weder grundsätzlich gefährlich noch per se ein Segen für das System. Die möglichen negativen – aber auch positiven – Auswirkungen hängen von vielen Faktoren ab. Insbesondere vom Grad der praktizierten Systemsolidarität und vom Fehlen konkreter monetärer und geschäftspolitischen Einfluss bringenden Bevorzugungsmechanismen.
Ähnlich differenziert fällt das Gesamturteil – das sei vorweg gesagt – bei den sogenannten Franchiseinvestoren aus. Hierbei handelt es sich um Einzelpersonen oder Private Equity Fonds, die ihr Kapital in Franchiseunternehmen anlegen. Auch hierbei ist die getätigte Investition in vorderster Linie ein Beleg für Rentabilität des anvisierten Systems. Und zwar unabhängig davon, ob die Geldanlage auf Franchisegeber- oder auf Franchisenehmerseite erfolgt.
Wird in die Vertriebsstandorte eines Franchisesystems investiert, so muss – wie die Publikation „The Franchise Investor“ schreibt – das Geschäftsmodell des Systems so ausgelegt sein, dass es vom Start weg, auch von einem angestellten Manager – und nicht ausschließlich von einem Eigentümer – betrieben werden kann: „The goal is to find a business that can be manager run from the start.“ Außerdem muss der Investor damit leben, dass Franchiseverträge für einen festen Zeitraum abgeschlossen werden, und deshalb beim Verkauf der Kapitalanlage die diesbezüglichen Festlegungen und Modalitäten des Franchisevertrages zu berücksichtigen sind.
In den USA hat beispielsweise der Privat Equity Fond „The Halifax Group“ im November 2007 in den Papa Johns Pizza Franchisenehmer PJ United investiert. JP United betrieb zu der Zeit 116 Papa John Standorte in den Staaten Alabama, Louisiana, Texas, Ohio, Utah und Virginia, und war damit ein ganz gewichtiger Faktor im Nordamerika (USA und Canada) Standortnetz dieses Systems. Das Halifax Engagement endete im Januar 2014 mit dem Verkauf an das Management und TPG Growth, ebenfalls ein Private Equity Fond. Die Halifax Group war und ist aber auch auf Franchisegeberseite aktiv. Bereits 2003 hatte man den Franchisegeber „meineke car care center“ im Portfolio. Seit Februar 2015 ist man Kapitalgeber bei PIRTEK Europe.
Aber nicht nur Private Equities sehen im Franchise eine lohnende Finanzinvestition. Auch Einzelpersonen, oder besser Privatinvestoren, lockt die oftmals hohe Rendite eines Franchiseengagements. Der Vorteil von Franchisesystemen als Investitionsobjekt liegt auf der Hand: Die in aller Regel vielfältigen Erfahrungen mit unterschiedlichsten Persönlichkeiten auf der Franchisenehmerseite sind – bei durchgängigem wirtschaftlichen Erfolg – zweifellos ein klarer Beleg nicht nur für die finanzwirtschaftliche Qualität und Nachhaltigkeit eines Systems. Die Investition ist also nicht mit so starken Unsicherheiten behaftet, wie so manch andere. Schließlich hat das Franchise Geschäftsmodell schon mehrfach und unter verschiedensten Bedingungen seine Erfolgsträchtigkeit bewiesen.
Zunehmend mehr Franchisenehmer in unterschiedlichen Systemen definieren ihre Rolle im System vor diesem Hintergrund nicht mehr schwerpunktmäßig über die Motivation zur Selbständigkeit, sondern sehen hierin eine zum Teil äußerst attraktive Form der Geldanlage. Wobei diese Grundeinstellung nicht immer von vornherein da war, sondern sich erst im Verlauf ihrer Franchisekarriere, z.B. durch erfolgreichen Zukauf weiterer Standorte im vertrauten System, entwickelt hat. Interne Expansion wird dann vorwiegend aus Rendite- oder Steuer(spar)gründen, bzw. aus einer Mischung beider Aspekte betrieben.
Franchisenehmer mit solcher Ausrichtung haben in der Regel eher eine Manager- und Anleger-, als eine Unternehmer-Attitüde. Sie begegnen dem, diskutieren und verhandeln mit dem Franchisegeber anders als „normale“ Systempartner. Man muss betonen: „anders“, nicht „besser“, nicht „schlechter“; nicht „angenehmer“, nicht „unangenehmer“. Zur Erwartungshaltung von Franchisefinanzierern schreibt die DMI (Deutsche Mikroinvest): „Es gilt das Prinzip ‘Geld gegen Rendite’. Investoren werden sich also nur finden, wenn die Rendite attraktiv genug ist, denn die Investoren gehen mit ihrer Anlage ein Risiko ein.“ Diese Interessenlage Investment finanzierter Franchisenehmer und -geber sollten die jeweiligen Geschäftspartner kennen, und ihre Erwartungen entsprechend ausrichten.
Bei solchen Finanzierungen ergibt sich insbesondere im Bereich Return-on-Invest eine nicht nur theoretische Konfliktlage. Franchiseverträge werden in Deutschland in der Regel auf zehn Jahre abgeschlossen, damit der Franchisenehmer ausreichend Zeit hat, seine Investition zu rekapitalisieren. Finanzinvestoren erwarten fast durchgängig nach fünf Jahren den Return-on-Invest aus der Addition von jährlichen Gewinnausschüttungen und Wertsteigerung des eingebrachten Kapitals.
21.06.16 © copyright Dr. Bernd Süllow
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