Franchisesysteme im Wettbewerb mit agilen Markenführungskonzepten
Franchising ist eines von vielen Vertriebskonzepten jedoch mit der Besonderheit, dass am POS selbstständige Franchisepartner der wichtigste Touchpoint zum Markt und den Kunden sind. Diese selbstständigen Vertriebspartner müssen standardisiert und überall auf dem Markt einheitlich unter der Marke des Franchisesystems auftreten und dafür sorgen, dass der Markt und die bedienten Kundenzielgruppen den Markenkern erleben durch gleichbleibende Qualitäten der Vertragsprodukte und Vertragsdienstleistungen und vor allem einen nachhaltigen Wettbewerbsvorteil eines Franchisemarkenanbieters.
Bei Franchisesystemen erfolgt das in der Regel durch die Einbindung von Franchisepartnern auf Grund von dokumentiertem System-Know-How und dessen Übermittlung durch entsprechende Schulungen. Dazu kommen mehr oder weniger konsequente Kontrollsysteme und Betreuungskonzepte für die Franchisepartner zur nachhaltigen Marktentwicklung und vor allem der nachhaltigen Rentabilität des Systems und dessen Systempartner.
Dabei ist die Entwicklung der Mitbewerber nicht zu vergessen, welche als straff und zentral geführte Filialsysteme nicht an die Restriktionen eines Franchisesystems mit selbstständigen Vertriebspartnern gebunden sind. Diese Wettbewerber verfügen u.a. über hochentwickelte ERP – Systeme und eine Vielzahl von weiteren Instrumenten, welche im Zeitalter der Digitalisierung nicht nur das Datensammeln und Big Data ermöglichen. Vielmehr werden durch entsprechende Tools aus den riesigen Datenbeständen neue Erkenntnisse sichtbar gemacht und in sogenannten Smart Data Anwendungen umgesetzt.
Das bedeutet, dass solche Wettbewerber fast in Echtzeit massenhafte Kundenbedürfnisse an fast allen Touchpoints erheben können und diese ebenso schnell in direkte Marketingmaßnahmen umsetzen können. Dafür werden zentral schnell neue Kundenkommunikationsmaßnahmen umgesetzt mit dem Ziel, den Kunden noch schneller und individueller bedienen zu können. Das geht in Teilbereichen sogar schon so weit, dass man dem Kunden individuell für ihn gefertigte Produkte zum “Normalpreis” anbieten kann, etwa bei Maßanzügen.
Um solche Wettbewerbsvorteile überhaupt entwickeln und umsetzen zu können, bedarf es erheblicher Anpassungsfähigkeiten von Organisationen und Managementsystemen, was man heute als Agilität bezeichnet. Es liegt in der Natur des Wettbewerbs, dass alle Mitbewerber auf einem Markt, wenn sie überleben wollen, sich heute agil anpassen müssen, auch Franchisesysteme. Deren früherer Vorteil selbstständiger Franchisepartner als Vertriebspartner am POS mit großer Motivation und Einsatz im Eigeninteresse könnte u.U. durch die neuen Anforderungen an agile Markenführungskonzepte und agile Organisationsformen im Franchising ausgebremst werden.
Das liegt vor allem an der Stellung eines Franchisenehmers als selbstständiger Unternehmer, der in einem Franchisesystem nur bedingt führbar ist und dem ein gewisser Grad unternehmerischer Selbstständigkeit zu gewähren ist. Größere Franchiseanbieter haben dies durch intelligentes Prozessmanagement und dafür bereits verfügbare Softwaretools gelöst unter Beachtung entsprechender Parameter für den Franchisepartnerunternehmer.
Dabei ist auf die rechtliche Pflicht eines Franchisegebers hinzuweisen, dass dieser je nach Umfang und Umsetzung von Richtlinien und Kontrollen für den Erfolg eines Franchisenehmers in die Haftung genommen wird, also je stringenter die Systemführung desto höher die Haftung eines Systemgebers für den Erfolg seines Systems.
Im Franchisemarkt treten heute jedoch nicht nur große und wettbewerbsstarke Anbieter auf. Die überwiegende Zahl von Franchise-Anbietern sind im Bereich kleinerer und mittlerer Unternehmen zu finden, welche teilweise seit Jahren nur geringes Wachstum bei der Gewinnung neuer Franchisenehmer aufweisen. Oft sind dabei interessante Nischenkonzepte mit erheblichen Wachstumsperspektiven zu finden.
In der Praxis findet man leider häufig solche Anbieter mit unzureichendem System-Know-How oder auch kaum identifizierbarem System-Know-How, welches old school noch funktionsorientiert auf Papier haptisch vorgelegt wird. Manchmal wird mit Stolz darauf hingewiesen, dass man solches Know-How schon als Excel-Tabellen verfügbar machen kann. Das erstaunt umso mehr als bereits für relativ kleines Budget schon Softwaretools verfügbar sind, die von Franchisesystemen eingesetzt werden können.
Obwohl das Franchising in Deutschland eine noch relative junge Vertriebsform ist, scheint diese in Zeiten der Digitalisierung und der agilen Markenführung sehr konservativ geprägt mit wenig Anpassungsfähigkeiten an modernes Prozessmanagement und der damit möglichen Ausschöpfung von Marktpotenzialen. Gerade im Franchising ist die Verantwortung des Franchisegebers für den wirtschaftlichen Erfolg seiner Franchisepartner und deren Wettbewerbsfähig zumindest während der Dauer eines Franchisevertrages eine hohe Verpflichtung mit entsprechenden Sanktionen bei Misserfolg.
Die Grundlagen für eine agile Franchise-Entwicklung und Markenführung müssen daher bereits beim Aufbau eines Franchisekonzeptes gelegt werden unter Nutzung der bereits heute günstig verfügbaren Softwaretools. Nur so können auch Franchisesysteme künftig im Wettbewerb überleben und vermeiden, Franchisepartner quasi mit Sand im Getriebe auf die Straße zu schicken. Auch im Franchising gehört die Zukunft agilen, datengetriebenen Systemen. Attempto!