Grenzüberschreitende Expansion im Franchising
guten Morgen, liebe Chat-Teilnehmerinnen und Teilnehmer. “Andere Länder – andere
Sitten” – mit dieser Redewendung sind viele von uns aufgewachsen. Spätestens bei
der Expansion mit dem Geschäftskonzept sollte man sich der “fremden
Gepflogenheiten” explizit annehmen. Gerne möchte ich mit Ihnen darüber chatten
und natürlich über allgemeine Fragen zum Franchising. Herzlichst Ihre Veronika
Bellone
Leser: Auch Ihnen einen schönen guten Morgen,
Frau Prof. Bellone. Wie schätzen Sie den Stand der Internationalisierung der
hiesigen Franchise-Unternehmen ein? Sind wir wettbewerbsfähig genug oder müssen
wir unsere Schlagkraft erhöhen und zu einer Aufholjagd ansetzen?
Internationalisierung ist bei uns sicher noch recht schwach durchgesetzt. Die
meisten Franchise-Unternehmen sind nur auf dem Heimatmarkt angesiedelt und
erobern die Nachbarländer im jeweils deutschsprachigen Raum. Obwohl sicher
einige die Wettbewerbskraft hätten, gehen sie sehr solide “step by step” vor.
Das ist natürlich wichtig, um sich eine starke Basis zu schaffen. Für die
Wirtschaftlichkeit eines Systems ist es jedoch wichtig zu überlegen, welche
Märkte zusätzlich angegangen werden können. Jedoch würde ich weniger zur Jagd –
eher zur guten Vorbereitung und zum Kalkül raten.
Leser: Guten Morgen Frau Prof. Bellone, wie
lange muss ein erfolgreiches Unternehmen auf dem Markt sein, um mit Franchising
zu beginnen?
genügend Erfahrung vorhanden sein, um über saisonale Schwankungen und
anderweitige Markteinflüsse Aussagen treffen zu können. D.h., dass Sie mit Ihrem
Geschäftskonzept mindestens ein Jahr aktiv sein müssen, um dann mit der
Pilotisierung beginnen zu können. Vor der Franchisierung führen Sie also
nochmals eine Generalprobe an einem anderen Standort durch, um zu testen, ob
sich Ihr Konzept unabhängig von Ihnen (als Filiale) dort auch bewährt. Dieser
Pilotbetrieb sollte ebenfalls ein Geschäftsjahr durchlaufen – parallel und bei
guter Entwicklung können die Vorbereitungen für den Franchisestart getroffen
werden.
Leser: Liebe Frau Professor Bellone: Welche
Maßnahmen schlagen Sie vor, um Management und Mitarbeiter für interkulturelle
Fragen zu sensibilisieren?
ich einen Masterplan beschreiben. Welche Länder sollen avisiert werden? Wo
könnte man mit dem eigenen Angebot punkten? Gibt es bereits Beziehungen zu
anderen Märkten? Welches Budget ist vorhanden, um entsprechende
Marktinformationen einzuholen und Adaptionen des Konzeptes vorzunehmen? Dann
würde ich feststellen, welches Know-how im Betrieb bereits vorhanden ist. Ich
erlebe es immer wieder, dass viel zu wenig vorhandenes Wissen abgeholt wird.
Vorteilhaft ist, wenn Mitarbeitende verschiedener Kulturen im Betrieb oder z.B.
bei Zulieferanten arbeiten, die man befragen kann. Marktinformationen,
Zahlenmaterial etc. sind wichtig, aber das Wissen um Land und Leute, die
Branche, in der man daheim ist, Rituale und Bräuche machen letztendlich die
erfolgreiche Integration aus. Deswegen sind Vorinformationen wichtig und dann
die Erkundung vor Ort.
Leser: Guten Morgen Frau Professor Bellone:
Worauf ist bei der Strategieentwicklung für eine grenzüberschreitende Expansion
und der Erschließung ausländischer Märkte besonders zu achten
Erschließung ausländischer Märkte gehört die kulturelle Nähe bzw. Distanz zu den
Schlüsselfaktoren. In den D-A-CH-Ländern – wenn es auch Mentalitätsunterschiede
und Gepflogenheiten zu beachten gilt – kann Direktfranchising eine probate
Möglichkeit sein, wie es z.B. das Franchise-Unternehmen “Vom Fass” erfolgreich
vorgenommen hat. Ist der Adaptionsaufwand aufgrund von Sprache und Kultur sehr
hoch, bietet sich eine entsprechende Masterpartnerschaft an, d.h. dass Sie die
Landesrechte einem Partner übertragen, der dann dort die Funktion des
Franchise-Gebers übernimmt und regionale Partner akquiriert, Verträge mit diesen
abschließt und das entstehende Netzwerk entsprechend betreut. Dieser
Landespartner nimmt Konzeptanpassungen an marktübliche Bedingungen vor, da er
mit diesen vertraut ist. Sie können als Franchise-Geber zur eigenen Sicherheit
auch eine Master-Joint-Venture-Partnerschaft überlegen. So würden Sie sich an
der Gesellschaft des Masters beteiligen, um die Schritte der Konzeptanpassung
und des Systemaufbaus besser verfolgen zu können und die Mitsprache besser
geltend zu machen. Sie können auch per Area Development Partner expandieren. Mit
einem Partner, der die Marktaufbereitung und Akquisition der Regionalpartner
vornimmt. Die Verträge werden dann jedoch mit Ihnen abgeschlossen – der Area
Developer hat eine Mittlerfunktion und wird die Partner vor Ort gegen
entsprechendes Entgelt betreuen.
Leser: Hallo Frau Prof. Bellone, kennen Sie
zufällig Beispiele für eine internationale Kooperation von sich ergänzenden
Franchisesystemen? Wir denken u.a. an eine Art Shop-in-Shop, Einkaufspooling,
gemeinsame Partnerbetreuung etc. Selbst eine gegenseitige finanzielle
Beteiligung wollen wir nicht ausschließen.
leider noch viel zu wenig. In den USA gibt es solche Konstrukte viel mehr. Ob
für die gemeinsame, optimierte Standorterschließung – da tun sich viele
Gastrokonzepte oder sich ergänzende Konzepte zusammen wie z.B. Bürodienstleister
mit Kurierdiensten. Wir sind noch etwas im “Gärtchendenken” verankert. Aber es
wäre eine gute Idee, z.B. für das FranchisePortal, solche übergreifenden
Kooperationen anzuregen.
Leser: Uns geht es um die Identifikation und
Erschließung neuer Wachstumspotenziale im Ausland. In welchen Ländern sehen Sie
die besten Zukunftsaussichten für neue Franchisekonzepte?
sich das nur schwer sagen, da es immer auf das Angebot ankommt. In den Emerging
Markets – also z.B. Brasilien, Indien, Vietnam – erlebt Franchising Höhenflüge,
weil diese standardisierten Konzepte schnellstmöglich implementierbar sind. Die
Frage ist nur immer, welche Bedürfnisse können Sie in wachsenden Märkten
erfüllen? Sind es elementare Bedürfnisse? So sind z.B. viele Handelskonzepte und
Handwerksfranchisen gefragt. Ist das Teilhaben an der Entwicklung gefragt und an
neuen Konsumgewohnheiten? Das erklärt, warum so viele Luxusmarken in diesen
Ländern Erfolg haben. Ich würde an Ihrer Stelle in den wachsenden Märkten nach
Ihrer Branche fahnden. Wie entwickelt sich diese dort? Was könnten Sie bieten
und in welcher Form?
Leser: Für die Nachbarländer ziehen wir
Direktfranchising in Betracht. Gibt es neben Entfernung und Sprache weitere
Kriterien, wovon Sie die Art der Expansion abhängig machen würden?
lehnt sich etwas an die vorgängige an. Sehr wichtig ist die Notwendigkeit im
angestrebten Markt. Gibt es einen tatsächlichen Bedarf im angepeilten Land? Wie
hat sich dort Ihre Branche entwickelt? Wer ist Key Player der Branche und warum?
Mit welchen Mehrwerten könnten Sie auf dem Markt trumpfen? Je nach Bedeutung
Ihres Konzeptes im avisierten Markt – werden Sie dann auch Partner für Ihr
Konzept finden. Denn ob Area Developer, Masterpartner oder Regionalpartner –
alle wollen ein starkes Konzept mit Perspektiven. Es muss genügend Potenzial
haben, damit z.B. ein Masterpartner/eine Masterpartnerin die Investition für die
Übernahme der Landesrechte und den Aufbau der Organisation amortisieren kann.
Wichtig ist auch zu kalkulieren, ob es eine zusätzliche Vertriebsstufe verträgt.
Sie verkaufen allenfalls Produkte an den Master und dieser wiederum an die
Regionalpartner/innen. Wie sieht die Margensituation aus? Wichtig für die Art
der Expansion ist auch die interne Werte- und Führungskultur. Entspricht es
Ihnen eher, sich mit Masterprofilen auf Augenhöhe auseinanderzusetzen oder sind
Übersicht und Kontrolle ausgeprägter. Letzteres kann dann auch für den Aufbau
einer Tochtergesellschaft sprechen.
Leser: Welche wirtschaftlichen Auswirkungen
erwarten Sie angesichts der internationalen Finanzkrise? Wird die internationale
Expansion von Franchise-Unternehmen darunter leiden?
direkte Verflechtung mit allen wirtschaftlichen Einflüssen. Viel bedeutender
wird allerdings der mentale Umstand. In unsicheren Zeiten wird weniger
investiert und damit auch betreffend Übernahme von Konzepten Zurückhaltung
geübt. Obwohl gerade eine Gegensteuerung zu mehr Stabilität beitragen würde.
Leser: Ich bin überrascht, dass solche
Kooperationen noch so selten sind. Von welchen Voraussetzungen hängt Ihrer
Meinung nach der Erfolg einer internationalen Zusammenarbeit von
Franchisesystemen in erster Linie ab? Sehen Sie weitere Ansätze für eine
Arbeitsteilung im Rahmen einer internationalen Kooperation, auf die wir
vielleicht noch nicht gekommen sind?
braucht es einen “Nudge”. Einen Anstupser, um eine Änderung hervorzurufen.
Stellen Sie sich eine Liste zusammen mit potenziellen Kooperationspartnern, die
komplementär und/oder synergetisch wirken könnten und suchen Sie dann über die
Franchise-Verbände und anderweitige Plattformen entsprechende Systemprofile und
gehen diese direkt an. Synergieeffekte mit anderen Systemen würde ich immer über
die Zielkunden anschauen – wer bedient die gleiche Zielgruppe und könnte
aufgrund der Profildarstellung zum eigenen Auftritt passen.
Leser: Ich möchte mich mit der Frage in die
Diskussion einschalten, welche Qualifikationen im Management einer
Systemzentrale vorhanden sein müssen und welche Kompetenzen aufzubauen sind, um
für die Internationalisierung gerüstet zu sein.
Team eine verantwortliche Person haben, die die Koordination aller Fakten und
Daten für die Expansion übernimmt und mit dem “Masterplan” – also den
Zielvorstellungen und dem strategischen Vorgehen – abgleicht. Im Rahmen des
Masterplans ist auch die Erstellung eines Manuals für einen möglichen
Landespartner, der als Franchise-Geber/in im fremden Markt agiert,
vorzubereiten. In diesem Manual müssen die Erfahrungswerte des Systemgebers/der
-geberin enthalten sein, um den optimierten Start im neuen Markt zu ermöglichen.
Es braucht die sprachliche Kompetenz und Flexibilität, die Erkundung und
Gespräche mit potenziellen Partnern und Partnerinnen in den angepeilten Ländern
wahrzunehmen. Ein Franchise-Manager/ eine Managerin hält dann den nachfolgenden
Kontakt mit den ausländischen Partnern.
Leser: Mich würde interessieren, ob wir in der
Systemzentrale ausländische Mitarbeiter brauchen, um den Besonderheiten und
Eigenarten der Auslandsmärkte gerecht zu werden?
viel von Diversity. Ein guter Mix von Mitarbeitenden unterschiedlicher Kulturen,
aber auch ein “Alters-Mix” und eine Ausgewogenheit weiblicher und männlicher
Angestellter wie Partner/innen sind für vermehrte Praxisnähe sehr wichtig. Die
meisten Informationen bekommen wir “Second Hand” und sehr gefiltert aus
unterschiedlichsten Quellen. Gelebte Diversity im Unternehmen ermöglicht Impulse
aus “erster Hand”. Damit kann man die zunehmende Verschiedenheit des Marktes und
neu zu erobernder Märkte besser spiegeln und die Bedürfnisse der
Zielkunden/-kundinnen auch ermitteln.
Leser: Raten Sie dazu, schon vor dem Schritt
über die Grenzen die eigene Unternehmenskultur anzupassen oder es ruhiger
anzugehen und erst einmal praktische Erfahrungen jenseits der Grenzen zu
sammeln?
sammeln, sich mit Land und Leuten vertraut machen, damit man in Gesprächen mit
potenziellen Partnern und Partnerinnen auch mitreden kann. Das stärkt u.a. auch
Ihre Durchsetzungskraft betreffend Konzept und Preisvorstellungen für die
Übernahme. Die eigene Unternehmenskultur ist eine wichtige Grundlage, um die
Expansionsschritte nach diesen Werten zu entwickeln.
Leser: Auf welche Unterschiede in den
Systemkulturen müssen wir im Rahmen einer internationalen Kooperation besonders
achten? Wo sind die größten Reibungsverluste bzw. Konflikte zu erwarten?
Konfliktpotenzial besteht bereits am Anfang. Oft sind die Vorstellungen des
Systemgebers/der -geberin überhöht, wenn es um die Erschließung des avisierten
Marktes geht. Die Preisvorstellungen für die Übernahme der Landesrechte sind
manchmal etwas “abstrakt” und wenig nachvollziehbar für eine/n potenzielle/n
Partner/in. Deswegen ist die vorgängige Planung und Plausibilität betreffend der
Marktdurchdringung so bedeutsam, um die Preisvorstellung zu verdeutlichen.
Großes Konfliktpotenzial liegt darin, wieviel Freiraum zur Konzeptanpassung
gegeben wird. Um dem vorzubeugen, müssen die Erfolgsfaktoren und Standards des
Systems klar herausgearbeitet werden. Was ist effektiv markenrelevant, um die
Bekanntheit der Franchise-Marke und damit auch den Wert des Franchise-Systems zu
steigern? Erst wenn hier genügend Klarheit besteht, können die Freiräume für die
Partner/innen definiert werden. Konflikte tauchen zudem immer wieder auf, weil
der Kontakt zu den ausländischen Partnern nicht genügend gehalten wird. Das
öffnet dann “Tür und Tor” für die Eigendynamik der Partner-Organisationen.
Leser: Wie wird bei Direktfranchising die
Verantwortung für das Auslandsgeschäft am besten geregelt? Brauchen wir dann
einen „Country Manager“ oder sollte in der Zuständigkeit von „Business
Development“ bleiben? Sind für die verstärkt virtuelle Steuerung der
Auslandsaktivitäten andere Kenntnisse und Fähigkeiten erforderlich?
Country-Manager ist sinnvoll und muss bei der Kalkulation der Gebühren
berücksichtigt werden. Aus meiner Erfahrung heraus sehe ich, dass der stetige
Kontakt mit den Regionalpartnern wichtig ist, um zu demonstrieren, dass sie
genauso “im Boot sitzen” wie jene auf dem Heimmarkt. Außerdem können so
wertvolle Impulse intensiver wahrgenommen und verarbeitet werden, wenn es einen
Länderverantwortlichen gibt, der dieses Know-how aufbereitet und in die
Weiterentwicklung des Systems fließen lässt. Die parallele Entwicklung der
virtuellen Steuerung und Möglichkeiten ist nicht nur in der Partner- sondern
auch Kundenbeziehung wichtig. Deswegen würde ich dies im Rahmen der
Unternehmenskommunikation berücksichtigen: z.B. durch professionelles Monitoring
und eine Social Media Strategie (Wie wird über Ihr Franchise-Unternehmen, Ihre
Marke, Ihr Angebot im Social Web gesprochen? Welche Themen interessieren dort?
Geht es konform mit Ihrem Wertesystem und Ihrer Marketingstrategie? Wie wollen
Sie darauf einwirken?)
Leser: In welche Ausschüsse und Beiräte der
Systemzentrale sollten ausländische Franchise-Partner aufgenommen werden? Ich
denke etwa an Produktentwicklung. Und sollten auch die Schlüsselgremien im
Headquarter mit Managern aus den verschiedenen Ländern besetzt werden?
Serviceentwicklung ist sicher gut. Ich würde es allenfalls vergrößern im Sinne
eines Think Tanks. Eine Ideen- oder Gedankenwerkstatt ist offener und kann zu
verschiedenen Aufgabenstellungen Bezug nehmen, die aktuell angepasst werden
können. Das können dann auch Schmerzpunkte sein, die man aufgreift und kreativ
angeht oder Überlegungen zu strategischen Allianzen etc.
Chat-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer, vielen Dank für die interessanten Fragen.
Ich wünsche Ihnen einen schönen 1. Advent und viel Erfolg bei Ihren Vorhaben.
Herzliche Grüße Ihre Veronika Bellone