Internetvertrieb im Rahmen des Franchisesystems
Auswirkungen des EuGH-Urteils vom 13.10.2011 – C 439/09
Der einheitliche Auftritt gegenüber dem Kunden ist essentiell für das Franchising. Typischerweise besteht daher ein Interesse daran, eigene Internetauftritte der Franchisenehmer zu untersagen. Die Frage ist, ob dies kartellrechtlich uneingeschränkt zulässig ist.
Das vertraglich geltende Verbot, die angebotenen Kosmetikartikel über das Internet zu vertreiben, sei eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung im Sinne des Art. 101 Abs. 1 AEUV, urteilte der EuGH im Oktober 2011. Der Fall betraf einen französischen Kosmetikhersteller, der seine Produkte über selektiv ausgewählte Vertriebspartner vermarktet. Der Vertriebsvertrag enthielt die Pflicht, die Produkte aus Prestigegründen nur in einem physischen Raum in Anwesenheit eines diplomierten Pharmazeuten zu verkaufen. Der Internetvertrieb war damit ausgeschlossen. Die französische Wettbewerbsbehörde untersagte dies. Daraufhin kam es zur Vorlage an den EuGH.
Die Entscheidung des EuGH hat Auswirkungen auf Franchisesysteme. Zwar musste man aufgrund der Leitlinien der Europäischen Kommission zur Vertikal-Gruppenfreistellungsverordnung auch bisher schon annehmen, dass dem Franchisenehmer der Vertrieb über das Internet nicht generell untersagt werden könne. Nun ist jedoch klargestellt, dass das Verbot des Internetvertriebs als Wettbewerbsbeschränkung im Sinne von Art. 101 Abs. 1 AEUV anzusehen ist. Die Argumentation, das Verbot des Internetvertriebs sei für die Funktionsfähigkeit des Franchisesystems unerlässlich und damit – entsprechend der Diktion der Pronuptia-Rechtsprechung – nicht als Wettbewerbsbeschränkung anzusehen, wird im Regelfall nicht mehr greifen können. Die Vertikal-GVO sieht die Freistellung des Verbots des Internetvertriebs nicht vor. Der Internetvertrieb betrifft den sog. passiven Verkauf, der gem. Art. 4 b) Vertikal-GVO nicht beschränkt werden darf. Besondere Brisanz ergibt sich daraus, dass das Verbot des Internetvertriebs nach Ansicht des EuGH als bezweckte Wettbewerbsbeschränkung anzusehen ist und die Kartellrechtswidrigkeit mithin nicht von der Spürbarkeit der Beschränkung am Markt abhängt. Damit besteht die konkrete Gefahr, dass ein Verbot des Internetvertriebs die Unwirksamkeit wesentlicher Teile des Franchisevertrages zur Folge hat.
Dr. Wolfgang Kroll ist Partner von Reiners Rogge Rechtsanwälte in Düsseldorf. Er ist u.a. Autor des Beitrags „Franchise-Kartellrecht“. Der Beitrag ist im Praxishandbuch Vertriebsrecht veröffentlicht (herausgegeben von Giesler). Das Praxishandbuch ist in der 2. Auflage beim Deutschen Anwaltverlag erschienen.
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