Kontinuität im Franchising: Management-Buy-In als Nachfolgeregelung
Eine Franchise-Partnerschaft ist strategisch und operativ so etwas wie eine Ehe. Sie ist wie die private Ehe langfristig ausgerichtet und hat ein auf ausgeprägten Werten beruhendes Fundament. Vertrauen, Loyalität, Offenheit und Balance sind Voraussetzung dafür, dass sich das für Franchising typische Synergiepotenzial entfalten kann und beiden Seiten Wettbewerbsvorteile bringt.
Hinzu kommt ein hoher emotionaler Gehalt der Partnerschaft, soweit es sich nicht um einen Sonderfall der Investitionsfranchise handelt. Allein aus finanziellen Gründen kann der Franchise-Nehmer im Allgemeinen nur ein einziges Mal im Leben eine Franchise-Partnerschaft eingehen. Soweit der Franchise-Nehmer nicht einen bestehenden Betrieb konvertiert, sondern Existenzgründer ist, musste er in der Regel für Aufbau und Markteinführung seines Franchise-Geschäfts sein gesamtes Vermögen einsetzen. Häufig musste er sich darüber hinaus hoch verschulden. Misslingt der Start als Unternehmer, ist der Franchise-Nehmer finanziell ruiniert.
In diesem Szenario ist es verständlich, dass der Franchise-Nehmer sensibel nicht nur auf die marktbezogenen Leistungen des Franchise-Gebers achtet, sondern auch auf die konsequente Einhaltung der Spielregeln und das auf Dauer. Er hat die Franchise-Existenz für den Rest seines Lebens gekauft und möchte sie häufig an Nachkommen vererben oder als Alterssicherung verkaufen. Die langfristige Stabilität des Franchise-Systems hat also einen hohen Stellenwert.
Markante Beispiele belegen diese strategische Ausrichtung der Franchise-Partnerschaft. Boxweltmeister Max Schmeling wurde nach berufsbedingter Aufgabe seiner Sportkarriere in jungen Jahren Franchise-Nehmer. Die Franchise-Partnerschaft begann in den 30er Jahren des letzten Jahrhunderts und endete formal erst mit dem Tod im Alter von nahezu 100 Jahren. Obwohl der Krieg beide Seiten zu Feinden machte und bei Kriegsbeginn zur Aufgabe der Partnerschaft zwang, fanden sich die Partner nach dem Krieg bald wieder zusammen und führten ihre „Ehe“ fort, als wäre nichts geschehen. Ein anderes Beispiel ist OBI. Hier läuft der Franchise-Vertrag wegen der hohen Investitionen und der schwierigen Standortbeschaffung ohnehin 20 Jahre. Mehrere OBI-Franchise-Verträge wurden inzwischen verlängert. In diesem Fall hat der Nachfolger des OBI-Gründers mit einem Nachkommen des Franchise-Nehmers den zweiten Zwanzig-Jahres-Vertrag geschlossen und somit eine Partnerschaft von 40 Jahren begründet – länger als eine Generation.
Vor diesem Hintergrund stellt sich die Frage nach der Kontinuität. Im Franchise-Vertrag ist gewöhnlich vorgesehen, dass der Franchise-Nehmer seinen Betrieb verkaufen kann, wenn ein Erbe die an einen Franchise-Nehmer gestellten fachlichen, finanziellen oder persönlichen Voraussetzungen nicht besitzt. Das entspricht den Anforderungen der Franchise-Nehmer an eine Existenz und sichert dem Franchise-Geber Kontinuität am Standort.
Aus der Sicht des Franchise-Gebers ist Kontinuität mindestens genauso wichtig für den gemeinsamen Erfolg wie für den Franchise-Nehmer. Der Franchise-Geber kann den Ausfall eines Franchise-Nehmers verschmerzen, weil der Verlust nur einen kleinen Teil seines Gesamtvolumens erfüllt. Der Ausfall des Franchise-Gebers trifft den Franchise-Nehmer dagegen massiv, weil er damit die Basis seines Geschäfts verliert.
Unter diesem Aspekt sind Familienunternehmen auch prädestiniert für die Rolle des Franchise-Gebers. Sie sind wie der Franchise-Nehmer langfristig orientiert und streben Stabilität über die Generationen hinweg an. Hier wird das Wachstum des Shareholder values nach seiner ursprünglichen Definition in langen Zeiträumen kontinuierlich angestrebt. In Konzernen wird dagegen inzwischen die Wertentwicklung im Vierteljahrestakt bemessen, und die Führungsspitze hat mit Fünfjahresverträgen eine Periode im Auge, die der halben Laufzeit eines Franchise-Vertrags entspricht.
In jedem Fall, vor allem aber beim konzerntypischen Management, muss der Franchise-Geber darauf achten, Kontinuität auszustrahlen und als langfristig stabiler Partner zu erscheinen. Eine vertragliche Regelung gibt es nicht. Hier entscheidet Bekenntnis (z.B. im Leitbild oder im Rahmen des Franchise-Vertrags) und vor allem Verhalten. Der Franchise-Nehmer registriert alle Entscheidungen und Maßnahmes des Franchise-Gebers sehr genau, die Anzeichen für einen Führungs- und Philosophie- oder Strategiewechsel enthalten. Letztlich geht es um das Fundament seiner Existenz. Sobald Misstrauen hinsichtlich der langfristigen Stabilität der Partnerschaft erkennbar wird, ist „Sand im Getriebe“. Dann kann die system-typische Synergie nicht mehr voll zur Geltung kommen.
Dem Franchise-Nehmer eines Konzerns ist das Risiko der Diskontinuität von Anfang an bewusst. Ihm muss klar sein, dass das Management häufig wechselt, tiefgreifende strategische Entscheidungen kurzfristig die Situation verändern können oder ein neuer Anteilseigner andere Vorstellungen von der Absatzstrategie hat. Ist dagegen auch der Franchise-Geber ein Mittelständler und insbesondere ein Familienunternehmen, gehört eine frühzeitige Regelung der Nachfolge für den Franchise-Geber als „Vater des Systems“ zu den unverzichtbaren vertrauensbildenden Maßnahmen .
Soweit ein interessierter, geeigneter und engagierter Nachfolger aus der Familie nicht zur Verfügung steht, bietet sich ein Management-Buy-In (MBI) an. In diesem Fall erwirbt ein als Nachfolger vorgesehener Dritter nach eingehender gegenseitiger Prüfung einschließlich einer Pilotphase stufenweise Anteile der Trägergesellschaft des Franchise-Systems. In einer längeren Integrationsperiode arbeitet er sich allmählich in das vielschichtige Netzwerk von Philosophie, Leitbild, Zielen, Strategie, Tools, Prozessenen, Verträgen und gewachsenen Partnerschaftsrollen ein. So kann jeder Franchise-Nehmer den designierten Nachfolger in der täglichen Arbeit und im konkreten Zusammenwirken kennenlernen. Im konkreten Miteinander muss sich beweisen, dass der Neue wirklich eines Tages die begeisternde Führungsrolle des Gründers ausfüllen kann, und die Partner im Sinn einer umfassenden Kooperation kompatibel sind.
Selbstverständlich muss der Neue Affinität zum Franchising mitbringen sowie die Philosophie der langfristig ausgewogenen Partnerschaft auf Augenhöhe vorbehaltlos akzeptieren und ausstrahlen. Erforderlich sind außerdem Praxiserfahrungen in kooperativer Führung , sei es als Franchise-Manager eines anderen Systems oder als Berater mit operativer Erfahrung, z.B. als Pilot- oder Interims-Manager. Selbstverständlich gehören auch Branchenkenntnisse dazu. Sie sind jedoch, wie Praxisfälle zeigen, in relativ kurzer Zeit erlernbar und nachrangig gegenüber der Fähigkeit zur charismatischen Führung selbstständiger Individuen.
© copyright 14.01.14