Ratgeber & Podcast

für Franchisezentralen

Multiplikation von Kulturprojekten im Franchising

Veronika Bellone: Guten
Morgen liebe Chat-Teilnehmerinnen und Chat-Teilnehmer. Ich freue mich auf Ihre
Fragen zum Kulturfranchising und zum Franchising allgemein. Herzlichst Ihre
Veronika Bellone

Leser: Guten Morgen Frau Bellone. Was
verstehen Sie unter Kulturfranchising, was fassen Sie darunter zusammen?

Veronika Bellone: Guten Morgen,
lieber Chat-Teilnehmer. Unter Kulturfranchising fasse ich alle Bereiche der
Kulturwirtschaft zusammen – sowohl Theater, Schauspiel, Museen bis hin zu
touristischen Attraktionen, die kulturell geprägt sind. In diesen Bereichen
formieren sich Projekte, die vervielfältigt werden sowohl auf Franchise- wie
Lizenzbasis.

Leser: Guten Morgen Frau Prof. Bellone, sie
erwähnten in einem Artikel die StreetUniverCity Berlin als
Kulturfranchising-Projekt. Es wird von Managern der DaimlerChrysler Financial
Services unterstützt und von Kreuzberg aus in andere Städte exportiert. Einzelne
Lehrmodule sollen den Jugendlichen im Rahmen der StreetUniverCity Lebens- und
Berufsorientierung geben und politische Bildung vermitteln. Ist
Kulturfranchising regelmäßig auf uneigennützige Wohltäter angewiesen?

Veronika Bellone: Guten Morgen,
liebe Chat-Teilnehmerin. Kulturfranchising zeigt zwei grundlegende Ansätze. Sie
haben das Beispiel der StreetUniverCity genannt – hier geht es um die
Verschmelzung von Social- und Kulturfranchising. Eine soziale Einrichtung mit
einem wichtigen kulturellen Auftrag wird vervielfältigt. Hier geht es darum,
dass sich das Konstrukt selbst tragen kann und an möglichst vielen Brennpunkten
realisiert wird. Dazu braucht es die Hilfe uneigennütziger oder zumindest
ideeller Träger. Ein anderer Ansatz im Kulturfranchising ist durchaus
wirtschaftlich geprägt, wenn wir uns die Bereiche Vergnügungsparks, Museen etc.
anschauen.

Leser: Guten Morgen zusammen! Frau Prof.
Bellone: Ich finde, dass wir mehr Toleranz gegenüber anderen Meinungen, Ethnien,
Ritualen und Religionen bräuchten, um die Chancen neuer Kulturströmungen zu
nutzen. Täusche ich mich oder fährt der Zug gegenwärtig in die entgegengesetzte
Richtung?

Veronika Bellone: Lieber
Chat-Teilnehmer, Sie sprechen mir aus dem Herzen. Zumindest wird uns dieses Bild
über die Medien dargestellt. Im kulturellen Bereich sehe ich aber, dass es dort
diese globalen und wertschätzenden Ansätze gibt. Gerade in der Musik – wenn wir
uns nur das Beispiel Daniel Barenboim anschauen, nicht nur Dirigent sondern auch
Friedensaktivist und kultureller Vermittler. Ich sehe, dass es viele positive
Beispiele gibt, die die Toleranz und den Respekt gegenüber anderen Kulturen
fördern – nur ist das nicht immer so medienwirksam.

Leser: Worin unterscheidet sich denn
Kulturfranchising im Vorgehen von “normalem” Franchising?

Veronika Bellone: Kulturfranchising birgt andere Herausforderungen bzw. müssen die
Schwerpunkte anders gelegt werden. Beim Kulturfranchising steht die Kultur im
Vordergrund mit allen Facetten und Ritualen – das Produkt Museum o.ä. tritt eher
in den Hintergrund. Kulturelle Projekte sind sensibler anzugehen, denn die
Beteiligten kommen meist aus sehr unterschiedlichen Bereichen – in der Regel
trifft man auf Künstler/Kreative und Wirtschaftler. Diese unterschiedlichen
Welten zu moderieren und eine gemeinsame Sprache, eine Corporate Language, eine
übertragbare Form für das Handbuch zu finden und das Ganze wirtschaftlich zu
entwickeln – ist eine grosse Herausforderung (die uns allerdings grossen Spass
macht).

Leser: Guten Tag, Frau Bellone. Ich habe ein
neues Konzept entwickelt und möchte es möglichst schnell verbreiten. Wie kann
ich prüfen, ob Franchising überhaupt der richtige Weg dafür ist?

Veronika Bellone: In Ihrer Frage
schwingt eine gewisse Eile mit. Haben Sie Ihr Konzept bereits realisiert? Haben
Sie aussagekräftige Erfahrungen damit getätigt, die auch auf die
Wirtschaftlichkeit schliessen lassen? Die Erprobung Ihres Geschäftskonzeptes ist
zunächst die Basis, wenn Sie wissen wollen, ob es franchisefähig ist. Damit ist
aber nicht nur die Umsetzung in Ihrem Erstbetrieb, sondern auch in einer Filiale
(Pilotbetrieb) gemeint. Denn wichtig ist festzustellen, ob Ihr Konzept auch
unabhängig von Ihrer Person her funktioniert. Ist ein Markt für Ihr Angebot
vorhanden, der genügend Potenzial für ein perspektivreiches Wachstum vorhält?

Leser: Guten Tag Frau Bellone. Worin sehen Sie
die grössten Schwierigkeiten in der Nutzung von Franchising für ein
Kulturprojekt?

Veronika Bellone: Ich sehe dann
Schwierigkeiten, wenn man Franchising sehr rigide leben will. Wie bereits in
einer Antwort zuvor erwähnt; Kulturprojekte sind sehr diffizil. Eine ständige
Gratwanderung zwischen Wertschätzung, Tragfähigkeit und Leitlinien.

Leser: Können Sie ein Beispiel nennen, wer
bereits Kulturfranchising erfolgreich nutzt?

Veronika Bellone: Nehmen Sie zum
Beispiel die Hard Rock Cafés – hier wird Musikgeschichte sehr erfolgreich in
einem eingängigen Ambiente multipliziert und das derzeit an 169 Standorten zzgl.
Hotels und Barbetrieben. Oder nehmen Sie das Madame Tussaud
Wachsfiguren-Kabinett oder Museen wie Centre Pompidou und Louvre. Zum Teil
handelt es sich um Lizenz- wie Franchiseprojekte, die erfolgreich international
vervielfältigt werden.

Leser: In Ihren Artikeln erwähnen Sie
verschiedene Kulturprojekte im Franchising, z.B. Lumas. Mir fällt auf, dass die
Website bei keinem der genannten Projekte Hinweise auf Franchising enthält.
Schämen sich die Verantwortlichen etwa für den kommerziellen Beigeschmack des
zugrunde liegenden Vertriebskonzepts?

Veronika Bellone: Das mag an den
“kulturellen Unterschieden” liegen. Während man in den USA und Frankreich sehr
viel offener mit den Begriffen Franchising und Licencing umgeht und beides als
interessante Geschäftsmöglichkeiten identifiziert – sind wir im
deutschsprachigen Raum etwas verhaltener und vorurteilsbehafteter.
“Multiplikation gleich billig oder uniform” – so oftmals das Urteil. Wir können
diese Einstellung nur erweitern, wenn wir zeigen, dass es viele Spielarten gibt
im Bereich des Franchising.

Leser: Das Google-Tool mit dem
deutschsprachigen Begriff „Zeitgeist“ bietet eine statistische Auswertung von
Suchverhalten und Suchanfragen der Google-Nutzer, aus denen Rückschlüsse auf
aktuelle Trends und Geschehen gezogen werden können. Sehen Sie
Einsatzmöglichkeiten bei der Identifikation wirtschaftlich relevanter Trends
z.B. im Kulturbetrieb?

Veronika Bellone: Für mich haben
Statistiken zwar eine wichtige Funktion – sie können aber nur hinweisenden
Charakter haben für gezielte Untersuchungen. Es ist zwar zum Beispiel
erstaunlich, wenn man sieht, dass das Wort “Gesundheit” in Google über 56 Mio.
Einträge zeigt – gerade wenn man sich mit dem Healthstyle als Trend beschäftigt,
aber die Motivation der Suchenden ist sehr unterschiedlich. Hier sehe ich, dass
viele ergänzende Untersuchungen und vor allem Beobachtungen in verschiedenen
Bevölkerungsgruppen zusätzliche Klärung bringen.

Leser: Guten Tag Frau Bellone. An welche
Zielgruppen wenden sich Kulturfranchise-Konzepte? Kann man von Kulturfranchising
wirklich leben? Ich nehme vielmehr an, dass nicht der normale Existenzgründer
gesucht wird.

Veronika Bellone: Hier handelt es
sich vielfach um Business-to-Business-Geschäfte, aber nicht zwingend – es kommt
auf die Dimension des jeweiligen Projektes an. Galerien oder das genannte Hard
Rock Café oder Rainforest Café können durchaus von Existenzgründern übernommen
werden, die allerdings eine grosse Nähe zur kulturellen Botschaft des
Franchise-/Lizenzkonzeptes haben müssen und einen entsprechenden finanziellen
Background. Interessant ist, dass immer mehr Ausbildungen im Bereich des
Kultur-Managements angeboten werden – sicher zusätzliches Know-how, das für
mögliche Partner nützlich ist. Ansonsten werden gerade Museums- oder
Theaterprojekte von Partnern übernommen, die im gleichen Metier tätig sind oder
von solchen Unternehmen, die eine zusätzliche Profilierungsmöglichkeit. Bei den
Non-Profit-Projekten wird in der Regel eine soziale Institution gesucht.

Leser: Wo sind die Unterschiede zwischen
Kulturfranchise und Social Franchising? Welche Konsequenzen haben diese
Unterschiede auf die Multiplikation des Ursprungsprojektes?

Veronika Bellone: Beim
Kulturfranchising gilt es zwingend die Exklusivität im Auge zu behalten. Das
klingt beim Einsatz von Franchising widersprüchlich, damit gemeint ist aber,
dass unbedingt überprüft werden muss, wieviele Standorte es verträgt, um sich
nicht zu entwerten. Beim Socialfranchising geht es zumeist auch um Aufklärung,
das kann Gesundheitsvorsorge sein, Integration von Minderheiten etc. Diese
Botschaft gilt es zu verbreiten. Bedarfsregionen gibt es in einem ganz anderen
Ausmass. Beim Socialfranchising ist dabei noch sehr viel mehr auf die
Wirtschaftlichkeit/die Nachhaltigkeit zu achten. Das Projekt muss tragfähig
sein, sonst ist der ideellste und innovativste Ansatz schnell versandet.

Leser: Welche Chancen oder Risiken ergeben
sich aus der fortschreitenden Globalisierung für Kulturprojekte? Wirkt sich die
zunehmende Bedeutung kultureller Unterschiede und interkultureller Kommunikation
stimulierend auf die Multiplikation von Kulturprojekten aus?

Veronika Bellone: In der
Wirtschaft gibt es einmal den Globalisierungstrend, dem steht die regionale
Spezialisierung als paralleler Wachstumsmarkt gegenüber. So wird es auch in der
Kulturwirtschaft immer beide Chancen geben. Gleichzeitig implizieren
Kulturprojekte softe Werte, die die anderen Wirtschaftbereiche, wie z.B. den
Tourismus und die Hotellerie unterstützend antreiben. Ich sehe mehr Chancen als
Risiken.

Leser: Liebe Frau Prof. Bellone. Worin
unterscheidet sich die Multiplikation von Kulturprojekten gegenüber der
Franchisierung in anderen Wirtschaftsbereichen?

Veronika Bellone: Bitte beachten
Sie auch meine vorhergehenden Antworten, die teils darauf Bezug nehmen. Gerne
möchte ich diese ergänzen. Bei Kulturprojekten wird bereits zu Beginn der
internationale Rahmen gesehen. Es gibt Projekte mit nur einem Standort pro Land
– das kennen wir allerdings auch aus dem Bereich des Industrial Franchising.
Bedeutend beim Kulturfranchising ist auch, inwieweit das “Absenderland”
Bedeutung für das Franchise- oder Lizenzangebot hat. Können damit gleich
zusätzliche kulturelle Werte vermittelt werden, die stützend oder hemmend auf
das Projekt wirken?

Leser: Franchising im herkömmlichen Sinn ist
ein Vertriebssystem für Produkte und Dienstleistungen. Lässt sich dieses
Multiplikationskonzept unverändert auf so komplexe Organismen wie Museen,
Akademien oder Theater übertragen oder bedarf Kulturfranchising der Entwicklung
zusätzlicher Werkzeuge und Techniken durch Spezialisten?

Veronika Bellone: Ich hoffe, ich
konnte schon etwas zum Ausdruck bringen, dass der Ansatz für das
Kulturfranchising angepasst werden muss. Es geht vielfach um eine Adaption, so
müssen “Werkzeuge” wie z.B. Handbücher die Sprachkultur “einfangen”. Die in
einer Antwort zuvor erwähnte Corporate Language ist wichtig, der
Moderationsanteil auf Konzeptgeber-Seite ist grösser und die Hilfestellung zum
Vernetzen mit wichtigen Meinungsbildnern und Sponsoren am
Partner-Standort.

Leser: Bieten die Franchisegeber im
Kulturfranchising ihren Partnern auch Unterstützung im Tagesgeschäft? Auf
welchen Gebieten? Häufig dürfte bei Kulturprojekten m.E. die Vergabe von
Markenrechten ausreichen.

Veronika Bellone: Es gibt reine
Lizenzkonzept bis hin zum ausgefeilten Franchiseangebot. Die Tendenz geht aber
immer mehr in Richtung Konzept mit Mehrwerten (auch bei Lizenzangeboten), denn
man möchte “sicherstellen”, dass die Kommunikation am Partner-Standort adäquat
ist und auch die Vermarktung erfolgreich stattfindet. In vielen Projekten nimmt
der Anteil Verkauf (z.B. von Merchandiseartikeln) und Gastronomie einen grossen
Raum ein. Hier gibt es viel strategische und operative Beratungsarbeit seitens
des Konzeptgebers.

Leser: Wie findet ein Kulturbetrieb die
geeigneten Franchise-Partner in anderen Regionen oder Ländern?

Veronika Bellone: Bei
Business-to-Business-Partnern kann man sehr gezielt vorgehen, in dem man z.B.
bei den Zielgruppen anfängt. Welche Unternehmung mit entsprechendem finanziellen
Potenzial bedient die gleiche(n) Kernzielgruppe(n) wie der Kulturbetrieb. Eine
Nutzwertanalyse bietet sich an, um die avisierten Partner mit entsprechenden
Argumenten anzusprechen. Inwieweit kann sich der potenzielle Partner profilieren
und engagieren? Wenn man Spezialisten bzw. Branchenkenner sucht, dann geht man
möglichst direkt auf diese zu mit der genannten Vorbereitung.

Leser: Mein Unternehmen ist aufgrund des sich
verschärfenden Wettbewerbsgezwungen, sich auf seinen Kernbereich zurückzuziehen.
Leider bleiben dabei verschiedene Patente und Technologien auf der Strecke, die
wir gerne abgeben würden. Könnten solche Werte im Wege des Franchising
vermarktet werden? Wie findet man finanzstarke Inverstoren mit entsprechenden
Kenntnissen?

Veronika Bellone: Patente und
Technologien eignen sich eher für Lizenzangebote, aber natürlich ist das zu
überprüfen, ob man ein ganzes Geschäftskonzept darum aufbauen kann. Die meisten
Investoren sind nicht zwingend an solchen Start-ups interessiert, die zusätzlich
noch einen Rahmen bekommen müssen. Je nach Branche gibt es jedoch durchaus
Unternehmer/innen, die in solche Projekte investieren wollen. Sie könnten es
über Business- und Erfinderpools versuchen und sicher auch noch bei den
Franchise Verbänden www.franchiseverband.com und www.franchiseverband.ch.

Leser: Gibt es vertiefende Literatur und
statistisches Material zur Thematik des heutigen Chat?

Veronika Bellone: Es gibt z.B. in
den unterschiedlichsten Städten Deutschlands jährliche
Kultur-wirtschaftsberichte, die konkrete Anhaltspunkte liefern können. Ein
interesanter Anlass ist auch der Ende Oktober in Berlin stattfindende
Kulturmarken-Kongress.

Leser: Welche Kommunikationstechniken werden
bei der Vernetzung großer Kulturprojekte genutzt?

Veronika Bellone: Hier sind alle
zeitgemässen und Projekt adäquaten Kommunikationstechniken zu nennen. Intranet
und Internet spielen natürlich eine massgebliche Ankerfunktion in
länderübergreifenden Projekten.

Leser: Kulturprojekte werden meist von
Stiftungen, Verbänden, Kommunen etc. initiiert, während es sich bei
Franchisesystemen i.d.R. um inhabergeführte Unternehmen handelt. Fehlt bei der
Vervielfältigung von kulturellen Konzepten nicht eine starke
Gründerpersönlichkeit, die den Charakter der Unternehmung nach innen und außen
prägt?

Veronika Bellone: Auf Ihre Frage
gibt es wohl nur eine übergreifende Antwort, nämlich die Marke. Franchise-System
sollten sich, um erfolgreich zu sein, in jedem Fall als Marke klar und deutlich
positionieren. Im Kulturbereich gilt dieses ebenso. Die Marke kann jetzt stark
von einem Künstler geprägt sein, im wirtschaftlichen Bereich wäre das
beispielsweise bei Kieser Training durch Werner Kieser der Fall, sie kann aber
auch ohne die Gründerpersönlichkeit erfolgreich etabliert werden. Die dann eher
“synthetische” Markenpersönlichkeit muss selbstverständlich mit allen zur
Verfügung stehenden Tools, wie dem Brand Design, der Brand Communication und dem
Brand Behavior, selbstähnlich und konsistent durchgesetzt werden.

Veronika Bellone: Liebe
Chat-Teilnehmerinnen und Chat-Teilnehmer. Das hat Spass gemacht! Vielen Dank für
die interessanten Fragen. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende und alles
Gute. Herzlichst Ihre Veronika Bellone

Prof. Veronika Bellone
Prof. Veronika Bellone
Bellone FRANCHISE CONSULTING GmbH

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