Neues Kapitel bei Wettbewerbsrecht, Internetvertrieb und Franchise
Gerade in der heutigen Zeit der Digitalisierung und des nach wie vor stark wachsenden Online-Vertriebs zählen Entscheidungen hinsichtlich der Vertriebskanäle und deren Bedienung zu den wichtigsten, ja überlebensentscheidenden Aufgabenstellungen auch von Franchise-Systemen. Oft wird der rechtliche Aspekt nicht oder zumindest nicht ausreichend berücksichtigt. Den meisten ist nicht bewusst, welchem Risiko sie sich aussetzen, gerade gegenüber des in diesem Aspekt strengen Wettbewerbsrechts und den damit verbundenen hohen Strafen, wie man regelmäßig aus den Medien entnehmen kann.
Gerade in Deutschland wird das europäische Wettbewerbsrecht durch die nationalen Behörden und Gerichte sehr aktiv und auch tendenziell konsumentenfreundlich ausgelegt. Das umfasst regelmäßig auch die Vertragsgestaltung gegenüber Vertriebspartner und Franchisenehmer hinsichtlich des Zugangs zum Markt. In der Vergangenheit wurden regelmäßig Verbote hinsichtlich der Nutzung von Verkaufsplattformen im Internet als nicht gerechtfertigt und somit als rechtswidrig beanstandet.
Nun hat der EuGH Ende 2017 Stellung zu einem Verfahren bezogen, das seit einigen Jahren unter Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit in Deutschland geführt wird. Dabei hat er richtungsweisende Aussagen zur Beschränkung des Internetvertriebs getroffen, wodurch er Franchise-Systeme stärkt und das Luxusimage einer Marke unter gewissen Gesichtspunkten als Argument für die Einschränkung des Internetvertriebs anerkennt.
Der EuGH traf insbesondere zwei konkrete Aussagen: zum einen dürfen im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems Vorgaben zum Internetvertrieb zum Schutz des Luxusimages einer Marke getroffen werden; zum anderen sind Drittplattformverbote zum Schutz des Luxusimages möglich.
Im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems – und Franchise-Systeme agieren allenfalls als selektive Vertriebssysteme, um ihre Waren abzusetzen – ist es, nach langjähriger Rechtsprechung des EuGH, zulässig, diverse Vorgaben zu machen, wie ein Wiederverkäufer, also der Franchisenehmer, die Ware absetzen darf.
Vor einigen Jahren noch hat der EuGH in einer richtungsweisenden Entscheidung festgehalten, dass der Schutz des Prestigecharakters kein legitimes Ziel für ein komplettes Internetverbot sei. Aus diesem Grund galt lange Zeit als Praxis, dass das Luxusimage einer Marke grundsätzlich aus kartellrechtlicher Sicht nicht als Argument herangezogen werden kann. Markenhersteller, darunter auch Franchise-Systeme, haben daher aus Vorsicht davon abgesehen, Vorgaben für die Internetnutzung zu machen, sofern keine weitreichenderen Begründungen vorlagen.
In seiner aktuellen Entscheidung hat der EuGH jedoch anders entschieden, als vielfach in der Literatur in den letzten Jahren interpretiert: er sprach aus, dass der Luxuscharakter eines Produktes ein legitimes Bedürfnis für ein selektives Vertriebssystem darstellen kann.
Wie eingangs erwähnt, hat er dies hinsichtlich einem selektives Vertriebssystem entschieden. Dieses ist nach Rechtsprechung des EuGH dann unproblematisch, wenn
- die Auswahl der Wiederverkäufer anhand objektiver Gesichtspunkte qualitativer Art erfolgt, Kriterien einheitlich für alle Wiederverkäufer festgelegt werden und diese ohne Diskriminierung angewendet werden,
- das selektive Vertriebssystem aufgrund der Eigenschaften des Erzeugnisses zur Wahrung der Qualität und der Gewährleistung des richtigen Gebrauchs erforderlich ist und
- die festgelegten Kriterien nicht über das erforderliche Maß hinausgehen.
Die wesentliche zweite Aussage, die der EuGH aufbauend auf die oben dargestellte erste Aussage getroffen hat, ist, dass Drittplattformverbote zum Schutz des Luxusimages möglich sind. Als Drittplattform sind Online-Anbieter zu verstehen, wie zum Beispiel Amazon Marketplace oder eBay, die – für den Kunden erkennbar – keine vom betroffenen Vertriebs- oder Franchise-Partner selbstbetriebenen Online-Shops sind. Diese sind aus nachvollziehbaren Gründen Markenherstellern bzw. Franchise-Systemen oft ein Dorn im Auge. Deutsche Gerichte und das Bundeskartellamt argumentierten regelmäßig, dass kleinere Händler durch ein Drittplattformverbot vom Verkauf an eine gewisse Kundengruppe, nämlich Besucher von Drittplattformen, ausgeschlossen werden und dieses daher eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung sei. Die Europäische Kommission hat schon im Vorfeld argumentiert, dass es sich beim Drittplattformverbot nicht um das Verbot des Verkaufs an diese Kunden handelt, sondern lediglich das „Wie“ des Verkaufs an diese Kunden geregelt wird.
Nun folgte der EuGH im Wesentlichen der bisherigen Auffassung der Europäischen Kommission: die Kunden von Drittplattformen sind keine abgrenzbare Untergruppe im Sinne des Kartellrechts, wie zum Beispiel alle potentiellen Käufer in einer Stadt oder Region. Diese Käufer haben mit Ausnahme der Nutzung des Internet zur Bestellung von Waren keine Gemeinsamkeiten. Dadurch besteht keine Kartellrechtswidrigkeit eines Drittplattformverbots. Somit kann dieses daher zulässigerweise verhängt werden. Zu berücksichtigen ist dabei, dass im konkreten Fall die Händler berechtigt waren, die Ware über einen eigenen Online-Shop zu verkaufen und auch im Internet Werbung zu betreiben, um Kunden zu ihren eigenen Onlineshops zu führen.
Eine Entscheidung ist im Vertriebsrecht und Kartellrecht immer eine Einzelfallentscheidung. Ausschlaggebend sind sämtliche Kriterien, unter denen gewisse Verbote erteilt werden. Gerade bei Fragen des Internetvertriebs sollte dies niemals außer Acht gelassen und entsprechende Beratung immer zugezogen werden. Einmal mehr zeigt sich die Wichtigkeit vor allem des Kartellrechts hinsichtlich der Ausgestaltung der Vertriebsstruktur und – darauf regelmäßig aufbauend – der Franchiseverträge seitens der Franchise-Systeme. Wichtig ist vor allem, immer am aktuellen Stand der Rechtslage zu sein, da auch in diesem Bereich die heutige Entwicklungsgeschwindigkeit, welche vor allem die Digitalisierung mit sich gebracht, enorm ist. Der regelmäßige Rat von Experten gewährleistet auch hier, sämtliche Möglichkeiten zu nutzen, ohne Gefahr zu laufen, sich bei einem Kartellverfahren rechtfertigen zu müssen oder eine Hausdurchsuchung zu erfahren.