Pop-up- und Concept-Stores im Franchising
Ein Franchise Concept (oder auch Franchise-Konzept) meint das Franchise-Angebot einer Marke. Dieses kann man gegen Gebühr für die eigene Gründung nutzen, inkl. etablierter Marke, erprobtem Geschäftskonzept und Know-how.
Pop-up-Stores und Concept-Stores als Chance für Franchise-Systeme waren in diesem Chat Thema. Hier folgt das Protokoll.
Veronika Bellone: Guten Morgen, liebe Chat-Teilnehmerinnen und -Teilnehmer. Heute möchte ich mich mit Ihnen zu Vertriebsformen wie Pop-up-Stores und Concept-Stores austauschen, die für das Franchise-Business interessante Möglichkeiten zur aussergewöhnlichen Kundenansprache bieten. Selbstverständlich stehe ich Ihnen auch für allgemeine Fragen zum Franchising zur Verfügung. Ihre Veronika Bellone
Leser: Liebe Frau Professor Bellone: Was ist unter Pop-up- und Concept-Stores zu verstehen? Welchem Zweck dienen sie?
Veronika Bellone: Lieber Chat-Teilnehmer. Pop-up-Stores sind Geschäfte/Marken, die temporär – meist nur für wenige Tage – geöffnet haben und neue Kollektionen einer Marke anbieten oder einen neuen Auftritt testen etc.. Concept-Stores haben als Konzeptinhalt das Cross-Selling. Verschiedene Marken werden zu einer Themenwelt zusammengeführt, die auf eine bestimmte Zielgruppe abgestimmt ist.
Leser: Guten Morgen Frau Prof. Bellone: Seit wann gibt es Pop-up- und Concept-Stores? Welche Vor- und Nachteile haben sie gegenüber dem traditionellen Einzelhandel?
Veronika Bellone: Diese Vertriebskonzepte ersetzen nicht den “traditionellen” Handel. Sie können ihn sinnvoll ergänzen. Auch Anbieter, die nur im Online-Handel tätig sind, machen zwischenzeitlich ihr Angebot zum dreidimensionalen Erlebnis, wie z.B. Etsy (Design-Plattform) oder eBay.
Leser: Welche Relevanz haben Pop-up- und Concept-Stores bisher für Einzelhandelssysteme im Franchising?
Veronika Bellone: Bis dato noch eher zurückhaltend. Es sind vor allem Textil-, Kosmetik- und Sportschuhmarken, die an ungewöhnlichen Orten Neues ausprobieren. Die Kosmetikmarke Rituals war im Q10-Laden der Deutschen-Bank als Shop-in-Shop-Geschäft temporär vertreten. Marken wie Adidas, Hilfiger und weitere waren schon in Lagerhallen, Museen, Tunnels von U-Bahnen. Sehr spannend und erlebnisreich – insbesondere für die Generation Y.
Leser: Hallo Frau Prof. Bellone: Welche Standorte und Produkte eignen sich für den Pop-Up-Verkauf?
Veronika Bellone: Der Kreativität und dem Querdenken sind keine Grenzen gesetzt. Es gibt Restaurants, die temporär auftauchen und in dieser Zeit entweder eine besondere Aktion unterstützen. Es gibt aber auch Pop-up-Kinos, wie es das nhow-Hotel in Berlin für VIP-Gäste in einer Suite lanciert hat und dort die Preview eines neuen Kino-Films gezeigt hat. Wichtig beim Pop-up-Angebot ist, was will ich damit bezwecken und wie passt es zu meiner Marke. Die strategische Einbindung ist wichtig, damit es nicht als “Hüftschuss-Aktion” endet.
Leser: Könnten Sie uns netterweise einige Franchisesysteme nennen, die solche Stores eröffnet haben?
Veronika Bellone: Diamond Heels, ein Lizenz-Konzept für massgefertigte High Heels war am Bahnhof Zürich präsent. IKEA, lanciert in vielen Ländern Pop-up-Aktionen und präsentiert neue Kollektionen an ungewöhnlichen Orten, von Wartehallen bis S-Bahnen. Die Outdoormarke Mammut präsentiert sich im Bikini Berlin – einer Mall, die vor allem aus Pop-up-Shops besteht – dort findet man dann auch einen interessanten Concept-Store namens “Gestalten”.
Leser: Wie häufig sollten Concept-Stores ihr Sortiment und ihre Dekoration wechseln, um für Konsumenten attraktiv zu sein?
Veronika Bellone: Welche Zielgruppe wird angesprochen? Sind es diejenigen, die Innovatives suchen oder solche, die den Wohlfühlcharakter im Vordergrund haben. Je nachdem muss ich feste Orientierungspunkte über die Marken geben. Wofür steht der Concept-Store? Worin besteht der gemeinsame Nenner bei der Auswahl der Marken? Daran orientiert sich dann auch, wie häufig Sie Wechsel vornehmen müssen, um für die Zielgruppe spannend zu sein.
Leser: Wie lassen sich Imageschäden bei einem Pop-Up-Verkauf vermeiden? Sollte eine Bezugnahme auf das Franchisesystem vermieden werden?
Veronika Bellone: Die Frage ist zunächst, wofür der Pop-up-Shop steht. Wenn es die Marke attraktiv macht, weil dort die Neuheiten vorgestellt werden und die Story “drumherum”, dann profitieren alle Franchisepartner/innen davon.
Leser: Was ist sonst noch zu beachten, wenn wir Restposten und auslaufende Saisonware über provisorische Boutiquen verscherbeln wollen?
Veronika Bellone: Wenn Sie temporäre Shops für den Abverkauf von Restposten nutzen, dann sollten Sie dafür einen eigenständigen Namen und Auftritt finden, der deklariert, dass es sich hier um eine Sonderform mit Schnäppchen handelt. Andernfalls kann es die Marke verwässern.
Leser: Trifft es zu, dass Concept Stores v.a. auf das Cross-Selling-Prinzip setzen, um immer wieder für Überraschungseffekte sorgen zu können?
Veronika Bellone: Ja genau. Concept-Stores wie z.B. die Kette “Manufactum” haben als Themenwelt die “guten alten Dinge” und präsentieren dazu entsprechende Marken. Saisonal sorgen sie mit neuen Produkten (alten Ursprungs) wieder für eine gewisse Belebung. Der Voo-Store in Berlin, der sich eher den Neuheiten für eine hippe Zielgruppe verschrieben hat, sorgt sehr viel schneller für Überraschungseffekte.
Leser: Welche finanziellen Regelungen zwischen Systemzentrale und Partnerbetrieben haben sich beim Pop-Up-Verkauf bewährt? Wovon sollte eine anteilige Kostenübernahme abhängig gemacht werden?
Veronika Bellone: Je nach Grösse des Systems übernimmt die Zentrale im Rahmen ihrer überregionalen Marketingaktivitäten solche Pop-up-Einsätze und nutzt anteilig Gebühren aus dem Werbepool, steuert aber selbst den Löwenanteil bei, weil es um Produktlancierungen geht, Markenaufbau, Storytelling etc. Es besteht aber auch die Möglichkeit, ein Pop-up-Konzept für alle Franchisepartner/innen zu entwickeln, das diese dann eigenständig in ihrer Region realisieren. Das Grundkonzept, Vorlagen werden vom Franchisegeber entwickelt und über den Pool finanziert. Die Partner/innen zahlen für den Einsatz.
Leser: Setzen Concept Stores eine Multi-Brand-Strategie voraus, da es sonst i.d.R. an der notwendigen Sortimentsbreite und Produktvielfalt mangelt?
Veronika Bellone: Verschiedene Marken zu einem Thema machen den Concept-Store erst attraktiv. Deswegen ist es auch für das Franchise-Business so spannend, entweder selbst so ein Ladenkonzept zu entwickeln, wie es in fantastischer Weise Oscar Farinetti mit seinem Franchisesystem Eataly geschafft hat. Bei Eataly handelt es sich zwar schon um eine Concept-Mall, aber es geht rund um das Thema Italien mit verschiedensten ital. Marken im Genussbereich bis hin zum Fahrrad. Als Concept-Store bietet sich aber auch ein Zusammenschluss mehrerer (Franchise-)Marken zu einem Thema an.
Leser: Wie können wir dem Kunden im Rahmen von Concept-Stores faszinierende Markenerlebnisse vermitteln? Haben Sie einige generelle Tipps?
Veronika Bellone: Tauchen Sie in die Welt der Zielkunden ein. Welche Themen bewegen sie, was fühlen sie, was mögen sie, wofür setzen sie sich ein, was ist ihnen wichtig….? Sie brauchen Anhaltspunkte zur Gestaltung des Concept-Stores. Arbeiten Sie mit Assoziationstests und Bildern. Wie sieht für sie ein glücklicher Abend aus? Rufen Sie bei solchen Fragen Bilder ab, Farben, Stimmungen. Mit welchen Marken/Angeboten und welchem Ambiente lässt sich das dann inszenieren? Je stärker die “Wunschwelt” entsteht, desto eher verspürt man den Wunsch, etwas davon mitzunehmen (zu kaufen!).
Leser: Welche Chancen und Risiken verbinden Sie mit Multi-Brand-Marketing im Franchise-Einzelhandel?
Veronika Bellone: Chancen sehe ich darin, dass Konsumenten bereits eine – auf sie – abgestimmte Welt vorfinden, eine Vorauswahl hat bereits stattgefunden und damit wird Zeit gewonnen. Nach dem “Amazon-Prinzip”: “Wenn Sie das mögen, dann ….” Zu den Herausforderungen gehören die Moderation der Marken und das stetige Updating.
Leser: Mich würde besonders interessieren, wie Sie die Gefahr des Kannibalismus beim Multi-Brand-Marketing einschätzen. So könnte eine Marke der anderen Marktanteile wegnehmen, was u.a. Konsequenzen für Deckungsbeitrag und Einkaufskonditionen haben würde.
Veronika Bellone: Den Kannibalisierungseffekt müssen Sie immer einkalkulieren, bei jeder Sortimentserweiterung oder Diversifikation. Überschneidungen im Angebot und die damit verbundene Eigenkonkurrenzierung gibt es in der Regel immer. Hier kommt es darauf an, ob es sich um einen Concept-Store aus Zusammenschlüssen mehrerer Marken zu einem Ganzen handelt oder ob das Konzept als solches ein Multi-Brand-Store ist und wie die zeitlichen Vereinbarungen der Kooperation sind.
Leser: Beim Multi-Brand-Marketing müssen die Bedürfnisse der Konsumenten verschiedener Marken auf einen gemeinsamen Nenner gebracht werden. Wie lösen Sie – z.B. im Rahmen von Concept Stores – etwaige Konflikte bei der Markenpositionierung?
Veronika Bellone: Sie müssen nach den Gemeinsamkeiten suchen. Was suchen alle gemeinsam? Die Kunden und Kundinnen, die bei Manufactum einkaufen, sind sehr unterschiedlich motiviert. Von Garten- über Küchengeräten, Schreibzeug bis hin zum Klosterlikör finden sie dort eine speziell zusammengestellte Welt. Der gemeinsame Nenner für die Kunden ist hier das Bedürfnis nach Sicherheit. Die angebotenen Produkte haben sich alle schon bewährt. Sie sind beständig, haben Tradition und Wert.
Leser: Werden bei einer Multi-Brand-Strategie wirklich die Produktmarken zum Erlebnis oder sollte vielmehr das Einkaufserlebnis zur Marke werden? Im Hinblick auf die eigenständige Profilierung eines Concept-Stores würde ich der zweiten Variante zuneigen.
Veronika Bellone: Ich denke, es gibt beides. Bei Eataly hat sich die Concept-Mall zum eigenständigen Erlebnis entwickelt. Das “Erlebnis Italien”, das ich im Zeichen der Globalisierung und des Franchising auch in New York, Dubai, Istanbul oder München erleben kann. Beim Concept-Store “Gestalten” ist es das Visuelle. Fotos, Foto-Bücher und augenscheinliche Dinge sind das Erlebnis, das ich im Bikini Haus oder im 25hours-Hotel finde. Hier sind es die Marken, die die Attraktion bieten.
Leser: Aber wie schaffen wir es, bei einer gemeinsamen Präsentation verschiedener Marken das jeweilige individuelle Profil zu wahren?
Veronika Bellone: In dem ich die Marken z.B. nach dem situativen Nutzen vorstelle. Wann brauche ich was und was bringt es mir? Ein Concept-Store kann die Zielkunden mit unterschiedlichen Marken durch den Tag führen, durch die Wohnung oder Freizeitgestaltung. Der gemeinsame Nenner ist vielleicht Inspiration, die aber über die Tages-/Abendzeit unterschiedlich und mit interessanten Produkten gelebt werden kann.
Leser: Worauf zielen Erlebniskonzepte im Rahmen von Concept-Store vorrangig ab? Geht es um ein starkes Gefühl oder eine prägende Nutzenerfahrung seitens der Konsumenten?
Veronika Bellone: Da die Gefühle beim Kaufentscheid eine grosse Rolle spielen, steht dies für die Anbahnung von Kundenbeziehungen sicher im Vordergrund. Fühle ich mich in dem Store gut “aufgehoben”, als Kunde wahrgenommen. Wenn aber das, was ich dort erstehe, mir letztendlich daheim nicht den Nutzen bringt, den ich erwartet habe – bleibt zwar der Gedanke an das Wellfeeling, wird aber dann allenfalls zur “Luftnummer”. Wenn ich im Eataly schlecht gegessen hätte, würde ich vielleicht nochmals einen Versuch starten, weil das Ambiente so wunderbar war. Aber die Toleranzgrenze wäre sicher endlich. Zum Glück ist es nicht so!
Leser: Brauchen Retailer also eigenständige Markenstorys, die in Wort, Bild und Animation erlebbar sind? Wie führen wir die Geschichten dann in einen differenzierenden Markenauftritt zusammen?
Veronika Bellone: Es wird immer wichtiger, sich über Eigenständigkeit zu differenzieren, um überhaupt am Markt wahrgenommen zu werden. Experiential Marketing, Multisensorisches Marketing macht die eigene Story um das Unternehmen erlebbar. Sehr schön zeigen das die Shops der Outdoor-Kette Globetrotter. Um einen eigenen Auftritt zu entwickeln, müssen Sie zunächst analysieren, was Ihre Marke ausmacht. Welche Alleinstellungsmerkmale haben Sie bzw. Ihre Marke? Wir führen in solchen Fällen immer Unternehmens-Check-ups durch, um effizient die Hauptmerkmale des Unternehmens im Marktumfeld zu erkennen, die letztendlich auch für die Franchisierung notwendig sind.
Leser: Und wie sorgen wir intern für das notwendige markenbezogene Wissen, das unseren Mitarbeitern und Partnern als Grundlage dient?
Veronika Bellone: Sie dokumentieren in einem Brand-Manual, was Ihre Marke ausmacht. Die Geschichte hinter der Marke und wie alle (Mitarbeitenden und Partner/innen) gemeinsam dazu beitragen, dass sie im Markt als stark wahrgenommen wird. Jeder und jede muss um den eigenen Beitrag wissen und wie sich das ausdrücken kann. Dazu gehören alle Themen der Corporate Identity – von der Philosophie, über das Design bis hin zum Verhalten.
Veronika Bellone: Ross Bailey war 20 Jahre alt, als er 2012 seinen ersten T-Shirt-Shop eröffnet hat. Dafür suchte er eine geeignete Location an guter Lage. Seine Suche danach brachte ihn letztendlich auf sein heutiges, äusserst erfolgreiches Geschäftsmodell, für das von Europas führendem Venture-Capital-Unternehmen (Balderton Capital)7.5 Mio. Dollar gesprochen wurden. Ross Bailey gründete mit Appear Here eine Plattform zur Vermittlung von Pop-up-Stores, die sich in unserem dynamischen Marktumfeld zukünftig noch sehr viel mehr verbreiten werden. Ich danke Ihnen für die interessanten Fragen zu diesen Sonderformen des Vertriebs. Bei weiteren Fragen kommen Sie auf uns zu. Herzlichst Ihre Veronika Bellone