Vorsicht: Das sind Expansionshindernisse im Franchisevertrag
Der Erfolg eines Franchisesystems ist von verschiedenen Faktoren abhängig. Erste Voraussetzung ist selbstverständlich eine ausgereifte Geschäftsidee, die an einer Vielzahl von Standorten durch selbständige Unternehmer angewendet werden kann. Dazu ist ein Marketingkonzept erforderlich, das es ermöglicht, die Marke und die Systemprodukte oder -dienstleistungen überregional bekannt zu machen. Nicht zuletzt bedarf es einer gezielten Akquise und sorgfältigen Auswahl von neuen Franchisenehmern. Fehlt es an einer der genannten Voraussetzungen, wird die Expansion scheitern.
Während diese Schritte als mögliche Hindernisse auf dem Weg zur Expansion auf den ersten Blick einleuchten, erscheint es zunächst widersinnig, dass sich auch im Franchisevertrag Expansionshindernisse finden lassen sollen. Schließlich steht der Franchisevertrag am Ende der vorgenannten „Erfolgskette“. Der Franchisevertrag wird abgeschlossen, nachdem der Franchisenehmer erfolgreich akquiriert und von der Geschäftsidee und dem Konzept überzeugt wurde. Die Erfahrung zeigt allerdings, dass sehr häufig auch in diesem letzten Schritt Fehler gemacht werden, die sich auf die Expansion des Systems negativ auswirken.
Das sind die typischen Fehler im Vertrag, die sich in der Expansion rächen
Viele Franchisegeber empfinden den Franchisevertrag als solchen, also das Vertragswerk, als Expansionshindernis. Sie beklagen – gerade in Branchen, in denen der Umgang mit Texten und Gedrucktem nicht an der Tagesordnung ist –, dass Franchisenehmer häufig nicht bereit seien, einen solch umfangreichen Vertrag zu lesen. Schließlich sind gute Franchiseverträge in der Regel mehr als 25 gedruckte DIN A4-Seiten „stark“. Vor einer vorschnellen Beseitigung dieses Hindernisses durch mehr oder weniger wahlloses Kürzen des Vertragswerks allein mit dem Ziel, den Umfang des Vertrages zu reduzieren, kann aber nur gewarnt werden. Dies wäre ein Fehler, der sich in der Expansion rächen wird.
Sinn und Zweck des Franchisevertrages ist es, eine möglichst große Zahl von – zum Teil auch unwahrscheinlichen – Fallkonstellationen vorherzusehen und für den Eintritt eines solchen Lebenssachverhaltes eine Regelung vorzuhalten. Dies vermeidet Streitigkeiten, die häufig dann ausbrechen, wenn Umstände auftreten, für die der Vertrag keine Lösung vorsieht. Dem Franchisenehmer, der sich entschieden hat, als selbständiger Unternehmer mit diesem Franchisevertrag seine zukünftige berufliche Existenz zu bestreiten, sollte also durchaus zugemutet werden, einmal einen so umfangreichen Vertrag zu prüfen oder prüfen zu lassen.
Insoweit zeigt die Erfahrung, dass das Expansionshindernis eher darin liegt, dass der Franchisegeber selbst die vertraglichen Regelungen nicht kennt und deren Notwendigkeit daher an den Interessenten nicht vermitteln kann, oder dass der Franchisenehmer interessent nicht ausreichend Gelegenheit erhält, den Vertrag zu prüfen.
Dass aber auch einzelne Regelungen im Franchisevertrag expansionshinderlich sein können, erklärt sich aus der Natur eines Franchisesystems als Netzwerk. Der Franchisegeber schließt mit jedem Franchisenehmer einen Vertrag, an den nur diese beiden Vertragsparteien, das bedeutet der Franchisegeber und der einzelne Franchisenehmer, gebunden sind. Die Franchisenehmer untereinander sind jedoch in aller Regel nicht miteinander vertraglich verbunden. Die Ausgestaltung (und (Nicht-)Erfüllung) der vertraglichen Pflichten durch einen Franchisenehmer haben Auswirkungen auf die übrigen Partner. Deutlichstes Beispiel hierfür sind die zahlreichen „Skandale“, die aus der Systemgastronomie berichtet wurden. Das Fehlverhalten einzelner Partner führt zu einer Beschädigung des Rufs der Marke insgesamt.
Das bedeutet, auch die übrigen Franchisepartner des Systems müssen Umsatzrückgänge hinnehmen, obwohl sie vertraglich mit dem eigentlichen Schädiger nicht verbunden sind und der eigene Franchisevertrag mit dem Franchisegeber völlig ungestört ist. Während in diesen Fällen durch den Franchisegeber unter Umständen nicht zu verhinderndes Fehlverhalten einzelner Partner die Expansion bremst, kommt es viel häufiger vor, dass schon in der Gestaltung des Vertrages ein Expansionshindernis liegt, ohne dass es auf ein Fehlverhalten des Franchisenehmers ankäme.
Dies soll an zwei Beispielen verdeutlicht werden:
Viele Franchisesysteme richten zur Finanzierung des zentralen Marketings einen sogenannten Marketingpool ein. In diesen Marketingpool zahlen alle Franchisenehmer einen vertraglich festgelegten Beitrag ein. Im Gegenzug werden sie an den Vorteilen, die aus dem Einsatz der Mittel des Marketingpools resultieren, beteiligt. Das kann beispielsweise der Fall sein, wenn aus den Mitteln des Marketingpools überregionale Werbekampagnen finanziert werden. Von diesen Kampagnen profitiert das gesamte Netzwerk, das heißt jeder einzelne Franchisenehmer.
Nun kann es jedoch vorkommen, dass der Franchisegeber bei den ersten von ihm vergebenen Lizenzen über einen solchen Marketingpool noch gar nicht nachgedacht hat. Dementsprechend findet sich dann in den früheren Franchiseverträgen auch keine Pflicht des Franchisenehmers, einen Beitrag zum Marketingpool zu leisten. Wenn in späteren Franchiseverträgen dann eine Beitragspflicht zum Marketingpool vorgesehen ist oder vorgesehen werden soll, werden sich die späteren Franchisenehmer – nicht ganz zu Unrecht – benachteiligt fühlen, da sie für etwas bezahlen, das auch denjenigen Partnern zugutekommt, die keinen Betrag leisten.
In diesem Fall enthält der frühere Franchisevertrag ein Expansionshindernis: Der Franchisegeber wird gehindert, zu einem späteren Zeitpunkt einen Marketingpool einzuführen. Erkennt der Franchisegeber in der Einführung eines solchen Marketingpools eine Chance für die Expansion des Systems, wird er die bestehenden Franchisenehmer um Zustimmung zur Einführung eines entsprechenden Marketingpools bitten müssen. Von der Entscheidung (aller) bestehenden Partner, deren Franchisevertrag einen solchen Beitrag zum Marketingpool nicht vorsieht, ist die Systemzentrale dann abhängig.
Ein weiteres Expansionshindernis im Franchisevertrag können missratene Regelungen zum sogenannten Gebietsschutz darstellen. Gebietsschutz wird als Oberbegriff für Regelungen des Franchisevertrages verstanden, nach denen einem Franchisepartner im Vertrag zugesagt wird, ihn in einen gewissen regionalen Bereich vor Konkurrenz durch andere Franchisepartner zu schützen. Die Regelungen zum Gebietsschutz können sich gleich in zweierlei Weise als Expansionshindernis herausstellen:
Zum einen ist, wie oben dargestellt, zu berücksichtigen, dass zwischen den einzelnen Partnern keine vertragliche Bindung besteht. Wenn der Franchisegeber einem Franchisenehmer zusagt, dass er selbst und auch andere Franchisepartner in einem festgelegten Gebiet nicht aktiv tätig werden, muss diese Verpflichtung auch allen übrigen Franchisenehmern auferlegt werden. Gibt es also Verträge, die einen solchen Gebietsschutz nicht vorsehen, steckt der Franchisegeber in Schwierigkeiten, weil er den Partnern nicht untersagen kann, in dem – neu geschaffenen – Gebiet tätig zu werden. Er kann somit seinen Verpflichtungen aus dem neueren Vertrag, Gebietsschutz in dem geregelten Umfang zu gewähren, nicht nachkommen.
Zum anderen kann Gebietsschutz als solcher ein Expansionshindernis im Franchisevertrag sein. Dies ist insbesondere dann der Fall, wenn die „geschützten“ Gebiete der einzelnen Partner zu groß sind. In diesem Falle wird relativ schnell der Zeitpunkt kommen, zu dem – jedenfalls in attraktiven Regionen – keine Franchisen mehr vergeben werden können, obwohl der Franchisegeber weiteres Marktpotential, dass die bisherigen Partner nicht erschöpfen, erkennt. Eine Expansion des Franchisesystems ist dann nicht mehr möglich.
Auch hier wäre der Franchisegeber darauf angewiesen, mit den bestehenden Partnern zu verhandeln, um deren Zustimmung zur Aufnahme eines weiteren Partners in das Vertragsgebiet zu erreichen. Dass ein solcher Vorstoß nicht gerade auf Verständnis auf Seiten des Partners führen wird, liegt auf der Hand.
So gestalten Sie Ihren Franchisevertrag expansions-freundlich!
Um die vorgenannten Fehler zu umgehen, muss das Franchisesystem von Anfang an „groß gedacht“ werden. Die genannten Probleme treten nämlich dadurch auf, dass zu Beginn der Konzeption des Franchisesystems und der damit verbundenen Gestaltung des Franchisevertrages sich ändernde Konstellationen nicht mitgedacht wurden. Die Expansion des Franchisesystems muss von Anfang an berücksichtigt werden.
Für das Beispiel des Marketingpools könnte es sich also anbieten, eine sogenannte „schlafende Regelung“ vorzusehen. Eine solche Regelung gibt dem Franchisegeber die Möglichkeit, zu einem späteren Zeitpunkt, beispielsweise wenn eine gewisse Anzahl von Franchisepartnern zum System gehört, einen Marketingpool einzuführen. Alle Franchisenehmer werden – gewissermaßen vorsorglich – verpflichtet, für diesen Fall einen schon festgelegten Beitrag zu leisten. Das Aufleben der Zahlungspflicht kann beispielsweise an das Erreichen einer bestimmten Anzahl von Franchisenehmern im System geknüpft werden. Erkennt der Franchisegeber dann Bedarf für einen Marketingpool, kann er unter den jeweils vereinbarten Bedingungen auf die Klausel zurückkommen und alle Partner zur Zahlung heranziehen.
Auch im Hinblick auf den Gebietsschutz ist erforderlich, dass die Expansion vorausgesehen wird, das heißt das System „groß gedacht“ wird. So könnten beispielsweise Optionen zur Verkleinerung des Vertragsgebietes erwogen werden. Auf der anderen Seite könnte auch überlegt werden, auf Gebietsschutz von Anfang an zu verzichten, da sich Gebietsschutz in aller Regel als Expansionshindernis auswirkt und ohnehin lediglich eine Illusion ist, da die Franchisenehmer nicht vor Konkurrenz von außen, das heißt markenfremden Dritten geschützt werden (können). Verbleibt in einem „geschützten“ Vertragsgebiet Marktpotential, das der jeweilige Partner nicht ausschöpft, wird sich im Zweifel Konkurrenz unter einer anderen Marke ansiedeln. Denkbar sind hier auch vermittelnde Lösungen, nach denen ein kleineres Gebiet geschützt wird, wobei in Aussicht gestellt wird, bei Erreichen gewisser Umsatzziele ein weiteres Gebiet zu erhalten.
Fazit – Denken Sie Ihr System groß
Als Fazit lässt sich daher ziehen, dass das Franchisesystem von Anfang an groß gedacht werden muss, wenn ein Franchisegeber am Anfang der Expansion steht. Stellt ein Franchisegeber demgegenüber fest, dass der Vertrag bereits Expansionshindernisse enthält, sollte nach Lösungen gesucht werden, im Verhandlungswege mit den bestehenden Vertragspartnern eine Ergänzung des Franchisevertrages herbeizuführen. Dazu sollte mit einem im Franchiserecht spezialisierten Rechtsanwalt Kontakt aufgenommen werden, der zu Beginn der Expansion hilft, Expansionshindernisse im Franchisevertrag zu vermeiden und beim Auftreten von Expansionshindernissen an deren Beseitigung mitwirkt.