Ratgeber & Podcast

für Franchisezentralen

Vorvertragliche Aufklärung und Systemhygiene

Volker Güntzel: Guten Morgen
meine Damen und Herren,ich darf Sie ganz herzlich zu dem Live-Chat begrüßen und
freue mich auf Ihre Fragen.

Leser: Guten Morgen Herr Doktor Güntzel. Darf
ein Franchisegeber einen Kandidaten aufgrund des Geschlechts, Alters oder der
Nationalität als Franchisenehmer ablehnen?

Volker Güntzel: Nein, denn sowohl
die Zugangsbedingungen zu einem bestehenden Franchisesystem als auch die
Aufstiegsbedingungen in einem Franchisesystem fallen unter die
arbeitsrechtlichen Vorschriften des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG).
Das AGG beinhaltet ein Benachteiligungsverbot wegen der Rasse und ethnischen
Herkunft, des Geschlechts, der Religion und Weltanschauung, einer Behinderung,
des Alters und der sexuellen Identität. Verstößt die Systemzentrale gegen eines
dieser Benachteiligungsverbote sieht § 15 AGG einen Anspruch auf eine
angemessene Entschädigung in Geld für immaterielle Schäden (Schmerzensgeld) und
Schadensersatz für materielle Schäden vor. Etwas anderes gilt nur, wenn der
Franchisegeber nachweisen kann, dass mit diesem Benachteiligten auch sonst kein
Franchisevertrag abgeschlossen worden wäre. Dieser Nachweis ist allerdings nicht
einfach zu führen. Daher sollte die Systemzentrale sicherstellen, dass ihre
Ausschreibungen für Franchisenehmer nicht nur geschlechtsneutral formuliert
sind, sondern auch keine konkreten Altersangaben oder sonstige Formulierungen
enthalten, die nach Rasse, ethnischer Herkunft, Religion oder Weltanschauung,
Behinderung oder sexueller Veranlagung ausgrenzen. So wird beispielsweise dazu
geraten, Formulierungen wie „erfahrener alter Hase“, „akzentfreies Deutsch“ und
„jung dynamisch“ zu vermeiden. Gleiches gilt selbstverständlich für die mit
Franchisenehmer-Interessenten zu führenden Gespräche.

Leser: Ich habe vor knapp drei Monaten eine
Franchise-Vereinbarung unterzeichnet. Gibt es eine Frist für den Widerruf von
Franchise-Vereinbarungen? Sind dabei bestimmte Formvorschriften einzuhalten?

Volker Güntzel: In der Regel
beträgt die Widerrufsfrist 2 Wochen, unter Umständen 1 Monat, so dass die
Widerrufsfrist in Ihrem Fall bereits abgelaufen sein dürfte. Allerdings besteht
eine zeitlich unbegrenzte Widerrufsfrist, wenn die dem Franchisevertrag
beigefügte Widerrufsbelehrung fehlerhaft gewesen ist oder gar keine
Widerrufsbelehrung beigefügt war. Dies müssten Sie gegebenenfalls von einem
Rechtsanwalt prüfen lassen.

Leser: Franchise-Systeme bieten häufig auch
Ehepaaren an, gemeinsam als Franchise-Nehmer einzusteigen. Kann sich auch ein
homosexuelles Paar bzw. eine eingetragene Lebensgemeinschaft darauf
berufen?

Volker Güntzel: Meiner Einschätzung
nach ist es für Franchisesysteme immer positiv, wenn sich beide Partner, seien
es gleichgeschlechtliche oder nicht, bereit erklären, den Franchisevertrag zu
unterschreiben. Daher wird ein Franchisegeber in der Regel die Bereitschaft,
dass beide Partner Franchisenehmer werden, begrüßen. Allerdings besteht kein
Rechtsanspruch darauf, dass beide Partner Franchisenehmer werden dürfen.

Leser: Hallo Herr Dr. Güntzel: Gilt das
Diskriminierungsverbot des AGG auch für die von den Franchisegebern geschalteten
Franchisenehmer-Suchanzeigen?

Volker Güntzel: Wie bereits bei der
1. Frage erwähnt, sollte ein Franchisegeber bei Suchanzeigen letztlich die
Vorgaben beachten, die auch bei Stellenanzeigen für Mitarbeiter gelten. Daher
sollte die Systemzentrale sicherstellen, dass ihre Ausschreibungen für
Franchisenehmer nicht nur geschlechtsneutral formuliert sind, sondern auch keine
konkreten Altersangaben oder sonstige Formulierungen enthalten, die nach Rasse,
ethnischer Herkunft, Religion oder Weltanschauung, Behinderung oder sexueller
Veranlagung ausgrenzen. So rate ich dazu, Formulierungen wie „erfahrener alter
Hase“, „akzentfreies Deutsch“ und „jung dynamisch“ zu vermeiden.

Leser: Hallo Herr Dr. Güntzel, gibt es
“Standardfehler” die ein junger Franchise-Nehmer besonders beachten sollte,
bevor es zum unterschreiben kommt?

Volker Güntzel: Da jeder
Franchisenehmer individuelle Vorstellungen von seiner zukünftigen Tätigkeit als
Franchisenehmer hat, ist es schwer, Standardfehler zu beschreiben. Es gilt
jedenfalls, dass sich derjenige, der Franchisenehmer werden will, rechtzeitig
vor Abschluss des Franchisevertrages möglichst umfassend informieren und sowohl
seine eigenen Fähigkeiten als auch ihm interessant erscheinende
Franchise-Systeme und Konzepte sorgfältig überprüfen sollte. Er sollte sich
daher durch Experten aus der Franchisebranche beraten lassen und sich der
Unterstützung eines wirklich auf Franchiserecht spezialisierten Rechtsanwaltes
bedienen. Daneben sollte der Franchise-Interessent für diese wichtige, unter
Umständen für sein gesamtes weiteres Berufsleben relevante Entscheidung auch
eigenständig wichtige Bereiche durchleuchten. Er sollte daher selbst den
Franchisevertrag einmal sorgfältig durchlesen, den selbst der beste Rechtsanwalt
kennt die wirtschaftlichen Vorstellungen und Planungen nicht so gut wie der
potentielle Franchisenehmer. Ein Rechtsanwalt kann nur feststellen, ob die
Regelungen im Franchisevertrag „wirksam“, „üblich“ und die Interessen
ausreichend gewahrt sind. Ob die Klauseln den konkreten Wünschen entsprechen,
muss der Franchise-Interessent selbst feststellen. Des Weiteren sollte er eine
Blick in das Handbuch werfen und mit bereits im System tätigen Franchisenehmern
sprechen. Wenn der Franchisegeber dies verweigert, ist Vorsicht geboten.

Leser: Hallo Herr Dr. Güntzel, ich habe vor
kurzem einem Rechtsanwalt unseren Franchisevertrag zur Überprüfung überlassen.
Dieser hat mir u.a. mitgeteilt, dass die Leistungen des Franchisegebers in
anfängliche und laufende Leistungen aufgeteilt werden sollten. Gibt es dafür
einen Grund?

Volker Güntzel: Auch wir empfehlen
unseren Mandanten grundsätzlich, in dem Franchisevertrag zwischen den einmaligen
“Aufbauleistungen” bis zur Eröffnung eines Franchisebetriebes (für die die
Eintritts- oder Einstiegsgebühr zu zahlen ist) und den laufenden
“Betreuungsleistungen” (für die die Franchise- oder Lizenzgebühren zu zahlen
sind) zu unterscheiden. Wenn die Einstiegsgebühr auch für die Gewährung der
Franchise, d. h. einer laufenden, während des gesamten Franchisevertrages
vorgenommenen Leistung des Franchisegebers gewährt wird, hat dies nämlich
folgenden Nachteil: Wenn der Franchisevertrag vorzeitig beendet wird, ist dem
Franchisenehmer ein von der bisherigen Laufzeit des Franchisevertrages
abhängiger Teil der Einstiegsgebühr auf jeden Fall zurückzuzahlen. Begründet
wird dies von der Rechtsprechung damit, dass der Franchisegeber in einem solchen
Fall seiner Verpflichtung zur Einräumung der Nutzung der Franchise nicht während
der gesamten Laufzeit des Franchisevertrages und damit nicht vollständig
nachgekommen ist. Daher hat er zeitanteilig einen gewissen Anteil an der
vereinnahmten Eintrittsgebühr zurückzuzahlen.

Leser: Hallo, ich stehe in Verhandlungen mit
einem Franchisesystem und habe den Franchisegeber gebeten, mir das
Franchise-Handbuch zu überlassen, da in dem mir vorgelegten Franchisevertrag
immer wieder darauf verwiesen wird. Der Franchisegeber hat dies verweigert und
mir mitgeteilt, er könne mir dies nicht geben, ich könne aber jederzeit eine
Blick hineinwerfen. Wie beurteilen Sie diese Antwort? Ist dies überhaupt
vertrauenswürdig?

Volker Güntzel: Diese Handhabung
ist üblich und sollte das Vertrauen in die Seriosität des Franchisegebers nicht
beeinträchtigen. Grund für diese Zurückhaltung des Franchisegebers ist, dass in
dem Franchise-Handbuch grundsätzlich das gesamte Know-How des Franchisesystems
enthalten und dessen Inhalt daher besonders geschützt werden muss. Daher
übergeben Franchisegeber in der Regel das Handbuch nicht einmal zum Zeitpunkt
des Abschlusses des Franchisevertrages, sondern erst nach Ablauf von weiteren 14
Tagen, d.h. nach Ablauf der Widerrufsfrist. Nur so können Sie gewährleisten,
dass ein Franchisenehmer nicht innerhalb der Widerrufsfrist ohne Angabe von
Gründen widerruft und anschließend, da er dann an etwaige
Geheimhaltungspflichten etc. nicht mehr gebunden ist, mit dem Know-How des
Franchisegebers ein Konkurrenzunternehmen eröffnet.

Leser: Unter welchen Voraussetzungen kann ich
einen Franchise-Vertrag für ungültig erklären lassen bzw. anfechten? Habe ich
dann Anspruch auf Rückerstattung der Eintrittsgebühr?

Volker Güntzel: Es gibt
verschiedene Möglichkeiten, die Wirksamkeit eines Franchisevertrages angreifen.
Dazu gehören die Anfechtung aufgrund arglistiger Täuschung, Nichtigkeit aufgrund
Verstoßes gegen das Schriftformerfordernis, Rückgängigmachung aufgrund
Verletzung der vorvertraglichen Aufklärungspflichten und die außerordentliche
Kündigung. Allerdings müssen natürlich jeweils die Voraussetzungen dieser
Angriffsmittel vorliegen. Je nachdem, welches der dargestellten Mittel Sie
wählen bzw. welche4s erfolgreich ist, können Sie die Eintrittsgebühr
zurückerhalten bzw. sogar darüber hinausgehenden Schadensersatz verlangen. Bevor
Sie aber zu einem solchen Mittel greifen, kann ich nur dazu raten, zunächst das
Gespräch mit dem Franchisegeber zu suchen. Es besteht durchaus eine gute Chance,
dass der Franchisegeber bereit ist, Sie unter bestimmten Bedingungen vorzeitig
aus dem Vertag zu entlassen. Unter Umständen kommt auch die Suche nach einem
neuen Franchisenehmer in Betracht, der Ihnen Ihren Betrieb abkauft.

Leser: Ich bin Franchisenehmerin in einem hart
umkämpften Markt. Ist mein Franchisegeber rechtlich zur Weiterentwicklung seines
Franchise-Konzeptes verpflichtet? Kann ich bei andauernder Untätigkeit irgendwie
Druck ausüben?

Volker Güntzel: Tatsächlich ist der
Franchisegeber aufgrund von Treu und Glauben verpflichtet, das Franchisesystem
weiter zu entwickeln und die Konkurrenz zu beobachten. Als Grund dafür wird
angeführt, dass der Franchisegeber die Pflicht hat, dem Franchisenehmer eine
wirtschaftliche Existenzrundlage zu verschaffen (so dass sich das System
wechselnden Anforderungen des Marktes anpassen kann und nicht seine
Marktfähigkeit verliert). Leider habe ich keine Kenntnis davon, ob und inwieweit
Sie bereits das Gespräch mit dem Franchisegeber gesucht haben bzw. ob in Ihrem
System ein Beirat vorhanden ist. Grundsätzlich sollten zunächst etwaig
vorhandene Konflitklösungsmechanismen, u.U. auch eine Diskussion bei einer
Partner-Tagung, genutzt werden, um den Franchisegeber von dem Bedarf an einer
Weiterentwicklung zu überzeugen. Geht der Franchisegeber nicht darauf ein, kann
ein Franchisenehmer, um Druck auszuüben, Zurückbehaltungsrechte bezüglich der
Franchisegebühren geltend machen (d.h. nicht zahlen) oder eine Abmahnung
aussprechen. Allerdings sollte dies wirklich nur die Notlösung darstellen und
Sie sollten sich zuvor unbedingt anwaltlich beraten lassen

Leser: Gab es bereits Prozesse um
Gleichbehandlungsfragen im Franchising? Worauf muss man als Franchisegeber
ansonsten besonders achten?

Volker Güntzel: Glücklicherweise
ist meiner Kenntnis nach die Franchisebranche von solchen Prozessen noch
verschont geblieben. Allgemein habe ich in meiner täglichen Arbeit immer wieder
mit folgenden Problembereichen zu tun: – Vernachlässigung der vorvertraglichen
Aufklärungspflichten bzw. der schriftlichen Dokumentation, dass diese Aufklärung
vollständig durchgeführt worden ist; – Fehler im Vertragsmanagement, d.h.
beispielsweise fehlende Ausfüllung von Lücken im Vertrag (z.B. Eröffnungsdatum
des Franchisebetriebs etc.) oder fehlender Abgleich, ob das Datum der
Unterzeichnung des Franchisevertrages mit dem Datum der Unterzeichnung der
Widerrufsbelehrung identisch ist; – Feststellung, dass der seit Jahren genutzte
Franchisevertrag das aktuelle System bzw. die tatsächlichen Leistungen des
Franchisegebers nicht mehr abbildet.

Leser: Bin ich rechtlich zur Mindestabnahme
von Produkten verpflichtet, die aufgrund der Aktivitäten eines Mitbewerbers in
meinem Gebiet nicht absetzbar sind?

Volker Güntzel: Eine allgemeine
Rechtspflicht besteht nicht. Es kommt daher darauf an, ob und inwieweit solche
Mindestabnahmepflichten wirksam in Ihrem Franchisevertrag geregelt sind. Eine
Lösung für Ihr Problem könnte u.U. sein, dass Sie Kontakt mit anderen
Franchisenehmern des Systems aufnehmen und diesen Ihre Produkte zum
Einkaufspreis anbieten. Der Franchisegeber darf nämlich so genannte
„Querlieferungen“, d.h. Lieferungen zwischen den Franchisenehmern seines
Systems, nicht verbieten. Hat also ein anderer Franchisenehmer Ihres Systems
noch Bedarf, können Sie ihm diese Produkte auch außerhalb Ihres Vertragsgebietes
verkaufen.

Leser: Welcher Punkte müssen in einem
Franchise-Vertrag unbedingt zu finden sein?

Volker Güntzel: Aufgrund meiner
bisherigen Erfahrungen sowie der gesetzlicher Anforderungen, wie z.B. dem
Schriftformerfordernis, sollten in einem Franchisevertrag – die Hauptpflichten
der beiden Vertragsparteien sowie die erheblichen Nebenpflichten und die
Handhabung der Vertrags-Produkte und –Dienstleistungen dargestellt werden, – die
Vertragsdauer und Grundlagen für die Verlängerung des Vertrages, die Bedingungen
für den Verkauf bzw. die Übertragung des Franchisebetriebes, die Vorgaben für
den Gebrauch der typischen Kennzeichnungen, Bezeichnungen, Marken und anderen
Merkmale des Franchisesystems, ein Änderungsvorbehalt zugunsten des
Franchisegebers, die Kündigung aus wichtigem Grund, die nachvertraglichen
Pflichten und Vertragsstrafen geregelt werden; und – eine salvatorische Klausel
und eine Widerrufsbelehrung vorhanden sein.

Leser: Wo befinden sich die gefährlichsten
Minenfelder für Franchise-Geber auf dem Gebiet der Vorvertraglichen Aufklärung?

Volker Güntzel: Im Bereich der
vorvertraglichen Aufklärung sollten Sie sich zunächst einmal vor Augen führen,
dass zwei Fallgruppen voneinander zu unterscheiden sind. Zum einen die Haftung
für aktive Falschinformation, d.h. der Franchisegeber darf den Franchisenehmer
nicht durch wahrheitswidrige Informationen zum Abschluss des Franchisevertrages
bringen. Dies wird auch als unechte Aufklärungspflichten bezeichnet. Zum anderen
eine unterlassene Aufklärung, d.h. der Franchisegeber verschweigt dem
Franchisenehmer vor Vertragsabschluss Umstände, die für die Willensbildung des
Franchisenehmers in Bezug auf den Vertragsabschluss von Bedeutung gewesen wären.
Dies sind die so genannten echten Aufklärungspflichten. In Bezug auf die aktive
Täuschung gilt der schöne Spruch: „Das Recht zur Lüge gibt es nur in der Liebe,
nicht hingegen im Privatrechtsverkehr“. Dennoch ist dieser Bereich nicht zu
unterschätzen und es werden, im Eifer des Gefechts, immer wieder Fehler
begangen. Zu vermeiden ist beispielsweise die Behauptung, dass man als
Franchisenehmer des Systems “regelmäßig viel Geld sicher verdienen“ könne; die
Nennung geradezu utopischer Umsatzzahlen, wobei diese als “vorsichtige
Schätzung” bezeichnet werden; die Herausgabe von Prognosezahlen, die von keinem
Systembetrieb je erreicht worden sind etc. Wenn Zahlen von Franchisebetrieben
als “Durchschnitt” bezeichnen werden, muss es sich tatsächlich um den
Durchschnitt der Franchisebetriebe handeln und nicht um den Durchschnitt einiger
weniger, besonders erfolgreicher Betriebe. Gleiches gilt, wenn die besten
Einzelfälle eines Franchise-Systems unkommentiert dargestellt werden, sodass der
Eindruck entstehen kann, es gäbe eine statistische Wahrscheinlichkeit, dass die
Zahlen normalerweise erreichbar sind. In Bezug auf die echten
Aufklärungspflichten, d.h. der Franchisegeber hat aktiv von sich aus bestimmte
Informationen zu erteilen, ist die besondere Verteilung der Darlegungs- und
Beweislast in einem Gerichtsverfahren zu berücksichtigen. Grundsätzlich gilt,
dass in einem Gerichtsverfahren der Kläger die anspruchsbegründenden
Voraussetzungen darlegen und beweisen muss. Dies würde bedeuten, dass der
Franchisenehmer, der auf Schadensersatz aufgrund der Verletzung der
vorvertraglichen Aufklärungspflichten klagt, für sämtliche Voraussetzungen den
Beweis erbringen muss, und, wenn ihm dies nicht gelingt, die Klage abgewiesen
wird. Dies ist aber leider hier nicht der Fall. Die angebliche Verletzung
vorvertraglicher Aufklärungspflichten wird seitens des Franchisenehmers auch
deswegen als Hauptangriffsmittel gewählt, da die Beweislast im Rahmen eines
Gerichtsverfahrens zu seinen Gunsten verteilt ist. Wenn der Franchisenehmer
geltend macht, der Franchisegeber habe ihm aufklärungsrelevante Informationen
verschwiegen, muss er nur darlegen, weshalb die angeblich fehlenden
Informationen für seine Abschlussentscheidung relevant waren. In diesem Fall
muss der Franchisegeber darlegen und beweisen, dass er ihn in den betreffenden
Punkten aufgeklärt hat. Dies bedeutet, dass, wenn der Franchisenehmer behauptet,
diese Informationen nicht erhalten zu haben und der Franchisegeber nicht das
Gegenteil beweisen kann, der Prozess für den Franchisegeber verloren ist. Als
einfaches Beispiel hier ein Fall aus der Praxis: Der Geschäftsführer der FG-GmbH
führt mit dem Franchisenehmer ein Vier-Augen-Gespräch, in dessen Verlauf er die
relevanten Zahlen und Daten vorlegt und dem Franchisenehmer mitgibt. Der
Franchisenehmer bestreitet im Prozess, diese Unterlagen erhalten zu haben. Der
Franchisegeber kann dies nicht beweisen, denn der Geschäftsführer ist Partei und
kein Zeuge.

Leser: Worüber muss der Franchisegeber einen
Kandidaten vorvertraglich aufklären? Wie soll ich wissen, ob der Franchisegeber
seine Pflichten umfassend nachgekommen ist?

Volker Güntzel: Grundsätzlich kann
man sagen, dass der Franchisegeber über alles aufzuklären hat, was einem
Franchise-Interessenten dazu dient, die Chancen und Risiken des Eintritts in das
Franchisesystem abschätzen zu können. Es geht hier insbesondere auch um Zahlen,
Informationen und Daten, die sich der Franchise-Interessent nicht selbst
beschaffen kann, sondern von denen nur der Franchisegeber Kenntnis hat (z.B.
Investitionsbedarf, mögliche Umsätze etc.). Auf der Internet-Seite des Deutschen
Franchise-Verbands können Sie eine beispielhafte Aufstellung der Bereiche
finden, die für die Aufklärung als relevant angesehen werden. Dies kann ein
nützlicher Anhaltspunkt dafür sein, welche Informationen Sie noch erfragen
sollten.

Leser: Kann ich einen versehentlichen Verstoß
gegen die Vorvertragliche Aufklärung nachträglich heilen, wenn ich ihn vor
meinem Partner bemerke? Oder besser nichts sagen?

Volker Güntzel: Die Heilung eines
solchen Verstoßes kann nur dann erfolgen, wenn dies noch vor Vertragsabschluss
möglich ist. Ist der Franchisevertrag bereits von beiden Partnern unterzeichnet,
sollten Sie genau abwägen, ob Sie dem Franchisenehmer den Fehler mitteilen. Ist
dieser Fehler nicht gravierend bzw. der Vertragsabschluss gerade erst erfolgt,
könnten Sie riskieren, den Fehler einzugestehen. Sie sollten dann aber unbedingt
eine schriftliche Vereinbarung mit dem Franchisenehmer abschließen, in der
geregelt wird, dass der Franchisenehmer auf diesen Fehler hingewiesen wurde und
auf etwaige Schadensersatzansprüche etc. verzichtet. Um eine solche Vereinbarung
zu erhalten, könnten Sie ja dem Franchisenehmer eine Gegenleistung, z.B.
kostenlose Lieferung von Marketingmaßnahmen etc., anbieten.

Leser: Können Sie für die außergerichtliche
Klärung von Rechtsstreitigkeiten im Franchising einen bestimmten Mediator
empfehlen? Oder aber eine Berufsgruppe?

Volker Güntzel: Gute Erfahrungen
habe ich persönlich mit Herrn Reinhard Wingral gemacht, der bei der Mediation
seine mehr als 20-jährigen Erfahrungen im Franchising und als Mediator
einbringen kann. Sie können aber auch einfach Kontakt mit dem Deutschen
Franchise-Verband aufnehmen und sich Empfehlungen geben lassen. Ich würde dies
nicht von einer bestimmten Berufsgruppe abhängig machen, sondern davon, dass die
Person eine diesbezügliche Ausbildung und Erfahrungen mit der Franchisebranche
besitzt.

Leser: Guten Morgen Herr Güntzel, verstoßen
Gebietsbeschränkungen (wie in Franchiseverträgen üblich)gegen geltendes
Wettbewerbsrecht (nach EG-Gruppenfreistellungsverordnung für den vertikalen
Vertrieb (Art.4))? Ich habe von solch einer Klausel bislang noch nicht’s gehört.
Wenn ja, werden dadurch die Verträge ungültig?

Volker Güntzel: Trotz hartnäckig
bestehender Gerüchte kann auch nach dem Inkrafttreten der neuen Vertikal-GVO
weiterhin wirksam Gebietsschutz und damit einhergehend eine Gebietsbeschränkung
vereinbart werden. Allerdings ist dies aufgrund kartellrechtlicher
Gesichtspunkte nicht uneingeschränkt möglich. Es darf dem Franchisenehmer nur
verboten werden, aktiven Verkauf außerhalb seines Vertragsgebietes in Gebiete zu
betreiben, die sich der Franchisegeber selbst vorbehalten hat oder einem anderen
Franchisenehmer zugewiesen sind. Nicht verboten werden kann der so genannte
passive Verkauf, d.h. der Franchisenehmer darf Kunden, die von außerhalb seines
Vertragsgebietes stammen und auf ihn zukommen, bedienen. Er darf lediglich nicht
gezielt und aktiv Kunden werben, die nicht in sein Vertragsgebiet fallen. Ist in
einem Franchisevertrag auch das Verbot des passiven Vertriebs geregelt, führt
dies zum Verlust der Freistellungsfähigkeit im Sinne der Vertikal-GVO mit der
Folge, dass (wenn die erforderlichen Marktschwellen erreicht werden) ein Verstoß
gegen Art. 101 AEUV vorliegen kann. Dies wiederum kann die Unwirksamkeit des
gesamten Franchisevertrages und die Verhängung eines Bußgeldes zur Folge haben.

Leser: Kann der Franchisenehmer auch auf eine
gerichtliche Klärung der Streitigkeiten bestehen, wenn vertraglich eigentlich
einer außergerichtlichen Lösung der Vorzug gegeben sollte?

Volker Güntzel: Diesbezüglich kommt
es auf den genauen Inhalt der vertraglichen Regelung an. Es ist zu überprüfen,
ob die außergerichtliche Lösung zwingend dahingehend gestaltet ist, dass diese
zunächst durchgeführt werden muss und nur, wenn diese scheitert oder innerhalb
eines bestimmten Zeitraums zu keiner Lösung führt, eine gerichtliche Klärung
herbeigeführt werden dar. Wenn der Franchisenehmer trotz einer solchen Regelung
sogleich Klage erhebt, ist diese als unzulässig abzuweisen.

Leser: noch eine Ergänzung meiner letzten
Frage: Einige Vorteile gezielter Hygienemaßnahmen – wie z.B. Verringerung von
Reibungsverlusten und Fluktuation – sind offensichtlich. Welche weiteren
Vorteile kommen dem Franchisesystem aus Ihrer Sicht zugute?

Volker Güntzel: Gerade in jungen
Franchisesystemen wird die Systemhygiene oft vernachlässigt und hingenommen,
dass Franchisenehmer mehr oder weniger machen können, was sie wollen. Es besteht
in diesem Stadium zumeist die Scheu vor etwaigen Konflikten, zumal da jeder
Franchisenehmer und dessen gebühren dringend benötigt werden. Wird aber nicht
von Anfang an die Systemhygiene konsequent verfolgt, wird der Versuch, diese
später durchsetzen zu wollen, auf starken Widerstand stoßen und u.U. nicht mehr
möglich sein. Die Franchisenehmer werden sich u.U. zu Recht darauf berufen, dass
der Franchisegeber dies über Jahre hinweg hingenommen hat und damit seine
eigentlich vertraglich geregelten Ansprüche auf die Einhaltung der Vorgaben
verwirkt sind. Bei der Durchsetzung der Systemhygiene helfen die drei K’s:
Kommunikation, Kontrolle und Konsequenz. Bei der Kommunikation geht es darum,
den Franchisenehmern immer vor Augen zu führen, warum die Einhaltung bestimmter
Vorgaben etc. wichtig ist und welche Vorteile dies auch für sie mit sich bringt.
Kontrolle ist wichtig, um zu überprüfen, dass die Systemhygiene auch eingehalten
wird. Zwar ist es richtig, dass eine solche Überprüfung von den Franchisenehmern
nicht gern gesehen wird. Allerdings kann und sollte der „Kontrollbesuch“ bei dem
Franchisenehmer mit einem Beratungsgespräch verbunden werden, in dem wieder
kommunikativ auf Missstände hingewiesen, aber auch positive Erkenntnisse
dargestellt werden. Schließlich ist es wichtig, konsequent gegenüber allen
Franchisenehmern zu bleiben. Wird eine Ausnahme gemacht, muss diese gut
nachvollziehbar und begründbar sein und nur einen befristeten Zeitraum
betreffen. Angesichts der Vorteile einer Systemhygiene ist der damit verbundene
Aufwand vernachlässigbar. Letztlich entsteht dieser nur in Form der Kontrolle.
Wesentliche Vorteile der Systemhygiene sind, dass durch sie zum einen die
Quasifilialität der Betriebe erreicht wird. Wenn sich alle Franchisenehmer an
die Systemvorgaben halten, wird gewährleistet, dass die Betriebe identisch
aussehen und die Kunden mit dem identischen Service und der identischen Qualität
bedient werden. Zum anderen hilft sie (wenn sie von Anfang an verfolgt wird)
Konflikte im Franchisesystem zu vermeiden. Meiner Erfahrung nach beobachten die
vertragstreuen Franchisenehmer ganz genau wie die Systemzentrale mit
„Abweichlern“ umgeht. Nimmt sie dies hin, sorgt dies bei den systemtreuen
Franchisenehmern für Frustration und kann dazu führen, dass sie ebenfalls die
Systemvorgaben verletzen.

Volker Güntzel: Vielen Dank
meine Damen und Herren für die rege Beteiligung. Es hat mir wieder viel Spaß
bereitet. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende und viel Erfolg mit oder in
Ihrem Franchiseystem.

Dr. Volker  Güntzel
BUSSE & MIESSEN Rechtsanwälte Partnerschaft mbB

Dr. Volker Güntzel ist einer der deutschen Experten im Franchiserecht, der seit über 15 Jahren exklusiv die Seite der Franchisegeber berät und vertritt.

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